Februar-Zeitenwende
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„Zeitenwende“ nannte Bundeskanzler Scholz die Zeit ab diesem Tag völlig zu Recht. Denn seit diesem Tag werden Gewissheiten in Serie obsolet. Die Hybris-Attacke von Putins-Möchtegern- Großmacht auf das Nachbarland Ukraine hat die Schwerpunktsetzung gewaltig verändert. Corona verschwand ebenso in der Aufmerksamkeitssenke wie der Klimawandel. Seit der Kreml mordend und brandschatzend durch den Nato-Anrainerstaat zieht, ist die Angst vor Krieg und Wohlstandsverlust auch im übrigen Europa täglicher Begleiter. Bilder von Leichen erschossener oder von Granatsplittern getöteter Zivilisten, zerstörten Städten mitten in Europa und von himmelhohen Rauchsäulen brennender Infrastruktur nehmen jede Leichtigkeit gegenüber anderen wichtigen Themen. Der Krieg zerstört nicht nur Heimat, Struktur und Lebensgeschichten – er wirft uns auch erst einmal bei den Zukunftsthemen weit zurück. Weil das Geld anders ausgegeben wird, weil die Wirtschaft zu leiden droht und weil die Aufmerksamkeit fehlt. Statt in Spielplätze investieren wir in Raketenabwehr, statt in Grünflächen in neue Panzer und Jagdbomber.
Und es gibt auch nicht mehr die alten Fronten in dieser Ausprägung – Leute, die für Rüstung und solche, die dagegen sind. Die Friedensengel sind sehr, sehr leise geworden, weil wir alle aufgezeigt bekommen haben, dass Friedlichkeit nur schützt, wenn sich alle daranhalten, friedlich zu sein. Seit dem 24. Februar sind wir Zuschauer eines grausamen Spiels mit neuen Waffen, aber steinzeitlichen Regeln. Wer hätte damit gerechnet, dass sich Miloševics Größenwahn nur zwanzig Jahre später noch einmal übertreffen ließe. Für die „Generation 40 plus“ Februar-Zeitenwende dürften die Bilder der damaligen Massengräber sowie die Geschichten gequälter Männer und vergewaltigter Frauen noch ziemlich präsent sein. Ich habe sie jedenfalls als dunkelste Stunden der Nachkriegszeit noch sehr gut in Erinnerung. Der Unterschied war, dass es in diesem archaischen Krieg keine Atomwaffen in den Arsenalen der Beteiligten gab.
Noch ist überhaupt nicht absehbar, wie diese Geschichte ausgeht und deshalb ist auch nicht abschätzbar, welche Folgen sie nach sich zieht. Was auf jeden Fall bleiben wird, ist ein Streben nach Energieautarkie mit der Brechstange. Es ist zu erwarten, dass die Planungsprozesse vereinfacht werden, um schnell an Fläche für alternative Energiegewinnungsstandorte zu kommen. Die Kolleginnen und Kollegen von der Landschaftsplanung werden sich in einer ganz neuen Welt wiederfinden, in der Schutzgüter lange nicht mehr die Bedeutung haben werden, wie sie vorher hatten.
Dass die Preise noch einmal wieder das Niveau erreichen, auf dem sie einst waren, ist kaum wahrscheinlich. Selbst, wenn man Spekulationseffekte abzieht, verknappt das Abschneiden eines riesigen Rohstoffproduzenten vom Markt die Bodenschätze und verteuert die damit produzierten Güter. Leere öffentliche Kassen und teurere Waren sind eine schlechte Kombi für die Nachfrage nach landschaftsarchitektonischen Leistungen. Warten wir es ab.
Eines ist in diesem Zusammenhang beruhigend: Gute Landschaftsarchitektur kann auch mit kleinen Mitteln große Gesten erzeugen. Boden, Pflanzen, Wasser, Holz und Steine reichen, um alles zu sagen. Nach Ende der HOAI müssen wir ohnehin nicht mehr künstlich den Baupreis hochtreiben, um vernünftig bezahlt zu werden. Wir können unsere Kompetenz verkaufen. Und was auch beruhigend ist: Die anderen Probleme laufen nicht weg und müssen gelöst werden, sobald die Bedingungen dafür wieder besser sind.
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