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Die Inflation der Preise

Das Jahr hat gut begonnen für das "Grün in der Stadt". An allen Ecken ist Bemühen zu erkennen. Hieß es früher: "Wenn irgendwer nicht weiter weiß, dann gründet er einen Arbeitskreis", so lautet die neue Variante: "Wenn die Politik nicht weiter weiß, stiftet sie erstmal einen Preis." Das Prinzip ist das gleiche: Statt sich direkt in effektive Sachpolitik zu stürzen, wird erstmal Symbolpolitik betrieben. So einen Preis kann man schön promoten, öffentlichkeitswirksam übergeben, und die Investition ist überschaubar.
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Tjards Wendebourg
Tjards WendebourgWilm
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Wohl deshalb überbietet sich die Bundesregierung gerade mit Auslobungen. Vom "Bundespreis Stadtgrün" (BMI, 100.000 EUR Preisgeld) über den "Bundespreis Umwelt und Bauen" (UBA/BMU, kostenloses Imagevideo als Belohnung) bis zur Ausschreibung "Naturstadt - Kommunen schaffen Vielfalt" (BfN/ BMU, 2,2 Mio. EUR) können sich Kommunen und Planer mindestens an drei Preisen beteiligen. Wer gewinnt, dem ist zumindest ein bisschen Ehre gewiss. Die Preisgelder reichen maximal zum Drucken von Flyern.
Nun spricht nichts, aber auch gar nichts dagegen, gute Ideen oder gute Leistungen mit Preisen zu belohnen. Allerdings drängt sich der Verdacht auf, dass die in Sonntagsreden angekündigten Maßnahmen zum Wohle von Natur, Klima und Lebensqualität am Ende zu Minimalkompromissen schrumpfen und dieses Dilemma dann mithilfe von Preisen kaschiert werden soll. Ganz nebenbei pointieren die Auszeichnungen auch noch das System öffentlicher Finanzierung, das darauf fußt, punktuell Geld an zertifizierte Mittelempfänger auszuschütten, ohne dabei einen Ebenen übergreifenden Masterplan zu verfolgen oder Ergebnisse zu evaluieren.
Wenn wir deshalb bei allen großen Zukunftsprojekten von der Energiewende über die Digitalisierung und die Agrarwende bis zum Klimaschutz nur in Zwergenschritten vorankommen, liegt das nicht nur an den widerstreitenden Interessen der Handelnden, sondern auch am Fehlen von Masterplänen, die Geld nicht nach dem Gießkannenprinzip verteilen, sondern entsprechend von Bedarf und Zielformulierungen. Ein Begriff wie „Grüne Infrastruktur“ ist schon deshalb ein Wortgespenst, weil es virtuell und nicht-verortet im Raum schwebt, ohne feste Ziele und Maßnahmen; kann man überall draufkleben, ist aber nichts drin.
Es liegt im Wesen von Politik, in überschaubaren Zeiträumen Erfolge vorweisen zu müssen. Schließlich müssen sich die Volksvertreter regelmäßig dem Wahlvolk stellen und können dabei nur gewinnen, wenn sich ihre Leistungen in sehr kurze Sätze fassen lassen. Deshalb tut sich die Politik auch so verdammt schwer, Projekte zu verfolgen, deren Umsetzung länger als vier Jahre in Anspruch nimmt. Fehlt dann noch die Fachkompetenz oder wird diese ausschließlich von Lobbyisten beigetragen, werden komplexe Aufgaben niemals im Sinne der Allgemeinheit zu Ende geführt. Daran haben wir uns alle ein bisschen gewöhnt und auf diese Weise sind wir auch zu dem Punkt gekommen, an dem wir jetzt stehen.
Während die Probleme der Vergangenheit aber offensichtlich suggeriert haben, man hätte viel Zeit, sie zu lösen, verlangen die daraus erwachsenen aktuellen Probleme offensichtlich ein viel schnelleres und effektiveres Handeln. Wenn dann wieder nur Marketing-Plazebos – und als solche muss man die Preise werten dürfen – statt effizienter Maßnahmen und eines vollständigen Umdenkens kommen, fühlt man sich als fachkundiger Betrachter mindestens veralbert. In Wirklichkeit erwächst daraus die Sorge, dass das schon der volle Schub war und nichts mehr kommt. Und das wäre angesichts der Aufgaben, denen wir uns jetzt und in naher Zukunft stellen müssen, in der Tat Furcht einflößend.
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