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FREIRAUM-Kommentar

Von Macht und Ohnmacht

Nur mit ganz viel Einsatz kann man in einer lauten Welt für gute Werte noch etwas erreichen, meint Tjards Wendebourg im Kommentar für FREIRAUM GESTALTEN 3/2025.

von Tjards Wendebourg erschienen am 10.06.2025
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Tjards Wendebourg
Tjards Wendebourg © Barbara Sommer

Wenn es besonders laut um einen herum ist, muss man auch besonders laut sein, um Gehör zu finden. Je kleiner man dabei ist, desto schwieriger ist es, seine Botschaft zu platzieren. So geht das auch Verbänden: Die Kraft, die sich aus der Summe ihrer Mitglieder und aus deren Wirtschaftskraft ergibt, ist oft viel kleiner als die anderer Akteure und Sachverhalte. Denn die Lautstärke wird nicht nur durch Interessenträger bestimmt, sondern auch durch Gegebenheiten. So wird die Stimme derer, die gegen den Klimawandel ankämpfen, schon alleine deswegen immer leiser, weil das Getöse der aktuellen Kriege – besonders derer in der Ukraine und im Nahen Osten (in vielen weiteren sterben die Menschen weithin unbeachtet) – die Agenda bestimmen. Wer mag sich jenseits unserer Branche mit der Novellierung der HOAI beschäftigen, wenn draußen die Frage brüllt, wie wir unsere Demokratie erhalten?

Ein kleines Beispiel aus der Nachbarschaft gefällig? Als am 1. Juli 2024 die Mautpflicht auf kleinere Nutzfahrzeuge ausgeweitet wurde, hatte die Regierung eine Handwerkerausnahme beschlossen. Denn eigentlich sollte ja nur der Lieferverkehr belastet werden und nicht das Handwerk. Dabei vergaßen die Macherinnen und Macher des Gesetzes den Landschaftsbau – trotz gleicher Fahrzeuge und identischer Tätigkeit; einfach, weil der Gartenbau aus historischen Gründen der Landwirtschaft zugerechnet wird und die Verantwortlichen offensichtlich wenig über den Tellerrand hinausgesehen, geschweige denn, sich mit der Materie ausgekannt hätten. Doch alles Schreien und Fordern brachte nichts. Niemand wollte die Verantwortung für die Schlamperei im Hause Wissing übernehmen und bis heute zahlen Handwerker keine Maut, Landschaftsgärtner aber schon. So schnell kann das in lauten Umgebungen mit inkompetenten Akteuren passieren.

Fordern allein reicht offensichtlich nicht, wenn man zu klein ist. Zuletzt hatte der bdla im Chor mit einer Reihe anderer Verbände die „Klimaanpassung als Gemeinschaftsaufgabe“ gefordert. Dabei will die Initiative die Anpassungsvoraussetzungen im Grundgesetz verankern; Bund und Länder sollen dadurch verbindlich beteiligt, Finanzierung und Informationsfluss gesichert und regionale Unterschiede abgebaut werden. Aber glaubt jemand allen Ernstes, dass in nächster Zeit noch mal jemand ans Grundgesetz geht? Mal ganz abgesehen davon, dass sich – wie eingangs schon befürchtet – gerade niemand mehr ums Klima schert, ist eine Grundgesetzänderung angesichts eines Bundestages voller Rechtsextremisten, Putinfreunde und Klimawandelleugner ja wohl mehr als unwahrscheinlich. Dafür wird sich dieser Bundeskanzler ganz gewiss kein blaues Auge holen.

Die Verbände sind trotzdem extrem wichtig, um unsere Anliegen zu formulieren. Aber wir sollten ihre Einflussmöglichkeiten nicht überschätzen. Die Zahl engagierter Vertreterinnen und Vertreter hält sich in der Regel in Grenzen. Wenn wir also etwas erreichen wollen, sollten wir anfangen, uns selbst zu engagieren – entweder im Verband, um ihn stärker zu machen, oder vor Ort. In diesem Zusammenhang sei darauf hingewiesen, dass der bdla seit diesem Jahr eine „Büromitgliedschaft“ anbietet. Mitarbeitende eines bdla-Mitglieds dürfen damit kostenlos dabei sein. Nutzen Sie das! Stärken Sie auch das Ehrenamt durch die Übernahme einer Funktion. Das erweitert immer auch den Horizont. Und, dass man dafür nicht erst in die Jahre gekommen sein muss, hat gerade Daniel Lindemann bewiesen. Der ist erst 35 und hat jüngst die Nachfolge des im Dezember viel zu früh verstorbenen bdla-Präsidenten Urs Müller Meßmer in Baden-Württemberg übernommen. Herzlichen Glückwunsch zur Wahl!

Engagieren wir uns nicht, müssen wir uns nicht wundern, wenn unsere Belange im allgemeinen Getöse und im Gebrüll der anderen einfach untergehen. Dann werden wir – wie beim Klimaschutz – auch bei den anderen Themen vielleicht noch als Tiger springen, aber als Bettvorleger landen.

Übrigens: In diesem Monat ist in der europäischen Kulturhauptstadt Chemnitz der Bundeskongress der grünen Fachverbände. Wäre doch cool, wenn da nicht wieder nur die üblichen Verdächtigen sitzen würden.

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