
Sparen, bis die Flut kommt
Berlin macht es vor: Mindestens 76 Mio. € will der Senat am Klimaschutz sparen. Allein die Grün Berlin – zuständig für 800 ha Grünanlagen – soll 2025 ein Viertel ihres Budgets verlieren.
von Tjards Wendebourg erschienen am 13.12.2024Den Haushalt für Fußgänger- und Fahrradverkehr sowie Lärmschutzmaßnahmen halbiert der Senat kurzerhand. Wer Zukunftsaufgaben als Worthülsen begreift, streicht dort zuerst, wenn das Geld knapp wird.
Dabei gibt es garantiert Sparpotenzial. Denn die Effizienz der Verwaltungen dürfte sich an vielen Stellen in Grenzen halten. Das Problem hatte ich an dieser Stelle schon mehrfach skizziert: Ein System, das Neueinsteigern enge Entscheidungskorridore vorgibt und Eigeninitiative eher bestraft als belohnt, verliert über die Zeit an Leistungsfähigkeit. Denn die Beteiligten passen sich an. Gleichzeitig hat die urdeutsche Regelungswut die Papierberge wachsen lassen; digital liegen wir gerade in der Verwaltung weit zurück. Nehmen wir dann noch den überbordenden Datenschutz dazu, der mittlerweile in keinem Verhältnis mehr zur realen Datennutzung steht (ich sage nur: Social Media), haben wir eine toxische Mischung, um Effizienz zu eliminieren.
Weil das Ganze aber ein so dickes Brett ist, dass sich keiner mehr ans Bohren traut, geht man an die Töpfe, die den Bürgerinnen und Bürgern nicht sofort wehtun. Im Notfall kann man sich ja bei der nächsten Flutkatastrophe auf unser (fast) aller Vergesslichkeit verlassen und sich mit Sätzen, wie: „Damit konnte auch oder hat keiner normalerweise gerechnet“, aus der Verantwortung stehlen. Mindestens ein Viertel der Wählerschaft hält den menschengemachten Klimawandel für eine Erfindung von „Altparteien“ und „Systemmedien“, dem großen Teil der übrigen Bevölkerung ist die Jacke ebenfalls näher als die Hose. Da kann man als Politikerin oder Politiker schon mal auf den Gedanken kommen, dass man da kürzt, wo die Probleme vielleicht erst morgen auftreten. Das Bildungssystem lässt grüßen.
Als Landschaftsarchitektinnen und Landschaftsarchitekten kennen wir das Problem zur Genüge und aus Jahrzehnte währender Anschauung: Weil öffentliches Grün im Bewusstsein von Entscheidungstragenden immer auch ein bisschen Garten ist und man Garten im Notfall auch mal warten lassen kann – die Natur hilft sich ja immer auch selber – kann man es einfach wegsparen.
Angesicht der allgemeinen Lage ist das nicht mehr hinzunehmen. Wahlergebnisse und alltägliches politisches und gesellschaftliches Handeln (kleiner Seitenblick nach Baku) lassen mittlerweile den Schluss zu, dass sich die Haltung „für mich wird’s schon noch reichen“, immer mehr durchsetzt. Die Klimakleber haben aufgegeben (was am Ende für die Sache auch besser ist), die Fridays-For-Futures wirken hoffnungslos und Greta Thunberg scheint sich in der Hoffnungslosigkeit des Tuns ebenfalls in eine Sackgasse verrannt zu haben. Die Zeit der Straßenproteste ist erst einmal vorbei.
Vielleicht professionalisieren wir den Widerstand mal. Die Kosten der Unterlassungen steigen beständig und werden bei Weitem die Menge des zur Katastrophenvorsorge eingesetzten Kapitals überwiegen. Das heißt es jetzt mantraartig und mit immer neuen Rechenbeispielen zu kommunizieren. Gleichzeitig muss Verantwortlichkeit beim Namen genannt werden. Wer jetzt am Klimaschutz spart – als Person oder Partei –, sollte später namentlich mit den Klimawandelfolgen verknüpft werden; notfalls in Form einer „Wall of Shame“. Das bekämpft die beiden Hauptursachen des Nicht-Handels: Die Hoffnung auf Vergesslichkeit und die Scheu vor Verantwortung.
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