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Kommentar | Tjards Wendebourg

Ein Zeichen neuer Ordnung

Wenn man ein Kopfschütteln erntet, hat man noch lange nicht alles falsch gemacht. Diese These ließ sich dieses Jahr auf der BUGA Mannheim belegen. Denn nicht alle Besuchenden zeigten sich von der Weite des Spinelli-Geländes angetan. Etliche fremdelten mit Eisenbahnrelikten und Schotterflächen. Nun wird sich Chef-Urheber Stephan Lenzen durch solche Stimmen nicht verunsichern lassen.
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Redaktion
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Aber die jüngst erfolgte Auszeichnung mit dem Baden-Württembergischen Landschaftsarchitektur-Preis 2024 für seinen „Grünzug Nordost“ dürfte doch eine Genugtuung gewesen sein. Dabei war die wunderbare Qualität zwischen gestern und heute in Mannheim lebhaft zu beobachten. Hier der liebliche überarbeitete Luisenpark mit seinen massenkompatiblen Seherlebnis-Angeboten, dort das Spinelli-Gelände mit seinen Referenzen an die Erfordernisse der modernen Stadtgestaltung.

Denn der RMPSL-Entwurf beugt sich sichtbar den Anforderungen, die Klimawandel und Artensterben mit sich bringen. Der Preis darf getrost als Aufbruchssignal verstanden werden, mit überkommenen Ordnungs- und Sauberkeitsidealen zu brechen. Auch wenn der ganze Muff, die Gestrigkeit, diese Freiheit, die eigene Begrenztheit ausleben zu dürfen, in Teilen der Bevölkerung gerade wieder eine Renaissance erfährt: Das sollte nicht darüber hinwegtäuschen, dass die Maßgaben für zeitgemäßes Entwerfen andere sind.

Ganz besonders im Hinblick auf die Biodiversität müssen wir das kleinliche Streben hinter uns lassen, uns über Sauberkeit und Ordnung unsere Prosperität und Integrität zu beweisen, sondern dabei helfen, neue Sehgewohnheiten und Schönheitsideale zu etablieren. Denn neben den Wachstumsfolgen, wie Zersiedlung, Flächenverschwendung und Ressourcenausbeutung, hat der Wunsch, unser Umfeld in wohnzimmerartiger Sterilität zu pflegen, zum gnadenlosen Verlust von Lebensräumen und Lebensqualität geführt.

Dass das Aufrechthalten steriler Zustände zugleich einer ungeheuren Mittelverschwendung gleichkommt, ist ein bemerkenswerter Nebenaspekt. Als Planende haben wir die Aufgabe, das Schlagwort „Blaugrüne Infrastruktur“ in lebendige Projekte zu übersetzen und Übersetzungshilfen gleich mitzuliefern. Denn was man aus der Politik lernen kann: Ohne allgemeinverständliche Kommunikation sind Veränderungsprozesse nicht umsetzbar. Fehlt die Kommunikation, nutzen das im schlimmsten Fall niederträchtige und skrupellose Interessengruppen, um die, die sich nicht verändern wollen, gegen notwendige Veränderungsprozesse zu mobilisieren; aus reinem Machthunger oder aus Profitgier.

Nur Kommunikation und gut erklärte Teilhabe-Optionen machen Wandel annehmbar. Dabei muss die Kommunikation so griffig sein, dass sie gegenüber den Plattheiten der Vereinfacher Bestand behält. Unsere blasige Sprache, die vielleicht eine Jury zu überzeugen vermag – weil sie meist mit Fachkolleginnen und Fachkollegen besetzt ist – eignet sich aber nicht automatisch, um Bürgerinnen und Bürger vom Wert unserer Ideen zu überzeugen. In einer Welt, in der Schönheit zunehmend von der Länge der Gräser und der Anzahl der Reinigungsgänge bestimmt wird, helfen nur überzeugende Nutzenargumente, klare Ansprache und eindeutige Kausalität, um Menschen zur Akzeptanz neuer Bilder zu bewegen.

Die Kommunen, die dem Bürgervotum unmittelbar ausgesetzt sind, brauchen dabei unsere fachliche Hilfe, um gute Kommunikation in ausreichender Frequenz und Deutlichkeit leisten zu können. Nicht immer gibt es die Chance wie in Mann- heim, einen Bestand als Argumentationsgrundlage vorzufinden. Aber auch ohne Bestand werden wir gefordert sein, mehr mit dem zu arbeiten, was vorhanden ist und dabei neue Bilder zu schaffen. Das ist in Mannheim jedenfalls gelungen. Für nachhaltigen Um-gang mit der Substanz wurde die BUGA übrigens gleich doppelt ausgezeichnet: Für die Transformation der U-Halle erhielt das Berliner Architekturbüro Hütten & Paläste den Deutschen Nachhaltigkeitspreis Architektur der DGNB.

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