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Tjards Wendebourg

Wohnungsnot kontra Flächenfraß

Die Bauwirtschaft schreit. Wurde dank billigen Geldes noch in jüngster Vergangenheit munter am Bedarf vorbei gebaut, ist nach dem Anstieg der Zinsen, der Kosten für Baustoffe und Arbeitskraft (so sie denn überhaupt noch vorhanden ist) der Bausektor eingebrochen. Nun sollen viel staatliches Geld, ein Aufweichen der Klimaschutzauflagen und die Idee vom „seriellen Bauen“ den Bausektor wieder auf Kurs bringen.
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Redaktion
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Es geht nicht etwa um die Frage, ob das überhaupt alles richtig war, was wir da getrieben haben, sondern nur darum, wie man es wieder hinbekommt, dass es hübsch so weitergeht. Der Umbau der (Bau-)Wirtschaft nach Maßgaben der Nachhaltigkeit wird erst einmal nach hinten geschoben. Die Zukunftsfähigkeit beschränkt sich weitgehend auf Worthülsen. Allein beim Begriff des „seriellen Bauens“ überkommt mich schon das kalte Grausen. Schließlich bedeutet Bauen ja nicht, ein Produkt zu produzieren, das fünf bis zehn Jahre hält und dann – idealerweise – in einem Recyclingzyklus landet.

Bauen bedeutet, fruchtbaren Boden auf ewig zu vernichten, Naturräume unwiederbringlich zu zerstören oder historische Substanz zu opfern. Bauen ist immer ein Eingriff für mindestens einen sehr langen Zeitraum – wenn nicht gar für immer. Einer McDonaldisierung des Bauens, das natürlich auch die Freiraumplanung mit betrifft, kann man nur das Wort reden, wenn man dem Paradigma der ewigen Raumvermehrung nachhängt. In einem dichtbesiedelten Land, in dem Fläche ohnehin massiv unter Druck steht, kann das kaum die richtige Philosophie sein. Zumal – und das wird gerne übersehen: die Weltbevölkerung ihrem Höhepunkt entgegen geht und danach schrumpfen wird.

Gebaut wird ja ohnehin nicht das, was gebraucht wird; nämlich Sozialwohnungen für die unteren Einkommensklassen. Die werden von Jahr zu Jahr weniger. Gebaut wird, was Geld bringt. Das ist aus Investorensicht zwar sehr nachvollziehbar, gesellschaftlich aber nicht akzeptabel. Denn ebenso wie die Landwirtschaft arbeitet auch die Bauwirtschaft mit Ressourcen, die uns alle betreffen; in aller erster Linie mit Fläche. Wer aber mit knappem Allgemeingut handelt, muss sich in einem engen Regelwerk bewegen. Für Glücksrittertum und Tellerwäscher-zum- Millionär-Karrieren ist in solchen Branchen kein Platz.

Gerade beim Bauen waren diese ständigen Betrachtungen von Wachstums- Quartalszahlen schon immer absurd. Angesichts des immer dringender werdenden Ziels, den Flächenverbrauch drastisch zu reduzieren, sind sie nur noch gaga. Hier sind ganz andere Messparameter gefragt. Was wir brauchen, ist nicht Masse, sondern Klasse – und zwar in Bezug auf den Bedarf und die Nachhaltigkeit. Wir brauchen mehr Ertüchtigung des Bestandes, mehr Nachverdichtung an Stellen, an denen sich unterqualifizierte Räume höher qualifizieren lassen (nicht auf Kosten der Grünflächen!) und am Ende wahrscheinlich auch das größere Besteck: Lenkung des Nachfragestroms in Orte, in denen die Situation weniger angespannt ist.

Das hören die Sozialverbände nicht gerne, aber wenn der Staat schon bezahlt, wird er auch mitreden dürfen. Es gibt ein Recht auf vieles, aber nicht darauf, dass man überall dort ein Zuhause finanziert bekommt, wo man will. Am Ende kann das durchaus eine Win-win-Situation sein, wenn zum Beispiel an einem Ort nicht mehr die Schulen schließen müssen, weil die Kinder fehlen. Wir werden uns daran gewöhnen müssen, dass diese Mach-mich-nicht-nass-Nachhaltigkeit nicht mehr lange funktionieren kann und wir gerade die Mangelware Fläche viel besser organisieren müssen. Umso wichtiger wird damit unsere Aufgabe: Wertvoller werdende Flächen brauchen hochwertige, nachhaltige und multifunktionale Lösungen. Wenn das mal keine Herausforderung für die Landschaftsarchitektur ist!

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