Besser als erwartet
Folgt man dem allgemeinen Medienecho, das immer schrillere Züge annimmt („Baufirmen gehen insolvent, Wärmepumpen sind Ladenhüter, Bautätigkeit kommt zum Stillstand“), müsste man eine katastrophale Stimmungslage im planenden Gewerbe erwarten. Wenn nichts mehr gebaut wird, muss auch nichts mehr geplant werden.
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Nun lässt sich nicht leugnen, dass schwächere Konjunkturdaten und steigende Zinsen die Nachfrage nach Bauleistungen dämpfen dürften. Doch bisher sehen die Planerinnen und Planer das weit weniger skeptisch, als man vermuten könnte; und sogar noch weniger skeptisch, als es noch im Januar zu vermelden war. Das lässt sich aus einer Konjunkturumfrage herauslesen, die die Bundesarchitektenkammer zwischen Mai und Juni durchgeführt hat und an der sich knapp 6.000 Architektinnen und Architekten beteiligt haben. Grob lässt sich zusammenfassen: Nur 12 % der Büros klagen über eine schlechte Auslastung, während 88 % mindestens eine befriedigende Auftragslage diagnostizieren. Außerdem lässt sich herauslesen: Je größer das Büro, desto besser und langfristiger ist die Auslastung.
Weit über dem Durchschnitt bewegt sich dabei die Landschaftsarchitektur: Hier vermelden nur 4 % der Büros eine schlechte Auftragslage, während 75 % – also weit mehr als der Durchschnitt von 56 % – die Auslastung als „gut“ bezeichnen. Kein anderer Zweig der planenden Zünfte ist ebenso langfristig ausgelastet. In der Landschaftsarchitektur reicht im Durchschnitt der vorhandene Auftragsbestand für 11,5 mehr oder weniger sorgenfreie Monate. 49 % der Rückmeldungen gaben für ihr Büro sogar einen für die Auslastung ausreichenden Auftragsbestand von 12 und mehr Monaten an. Landschaftsarchitektinnen und -architekten sind auch am optimistischsten: Nur 30 % rechnen mit einer Verschlechterung in den nächsten 12 Monaten.
Dass die Landschaftsarchitektur besser abschneidet, hat mit Sicherheit sowohl einen technischen als auch einen gesellschaftlichen Grund: Da sie meist später mit dem Hauptauftragsvolumen in die Projekte einbezogen wird, dürfte sie noch von der zuvor regen Bautätigkeit profitieren. Das ist der technische Aspekt. Der gesellschaftliche ist, dass sowohl die Kommunen als auch gewerblich- institutionelle Auftraggeber gezwungen sein werden, in den Freiraum zu investieren; aus Gründen des Klimawandels und dessen Folgen ebenso, wie um für Mitarbeitende und BürgerInnen attraktiv zu bleiben oder zu werden. Entsiegelungsmanager, wie sie die Stadt Köln gerade sucht, werden überall gebraucht werden – auf beiden Seiten des Schreibtisches.
Was auch ganz interessant und aus der Umfrage herauszulesen ist: Der Fachkräftemangel – in den Ergebnissen als „Kapazitätsengpässe“ bezeichnet – kommt durchschnittlich hinter steigenden Baukosten, Rückstellungen der Projekte, fehlenden Genehmigungen nur auf Platz 12 der Sorgenhitliste. Das ist bei den großen Büros mit über 25 Mitarbeitenden allerdings ein bisschen anders. Dort rangiert das Problem hinter der unangefochtenen Nummer 1 der Probleme, den gestiegenen Personalkosten (70 % der Nennungen) auf einem der vorderen Plätze.
Illusionen muss man sich trotzdem nicht hingeben: Gelingt es nicht, unser gesellschaftliches Geschäftsmodell auf neue Fü.e zu stellen und nachhaltig zu machen, droht nicht nur ein Rückgang der industriellen Produktion und lässt langfristig den Wohlstand erheblich abschmelzen. Es droht auch eine Erosion der staatlichen Leistungsfähigkeit und damit ein Rückgang der Investitionen der öffentlichen Hand. Ich bin auch da weniger pessimistisch als die Kolleginnen und Kollegen in der Publikumspresse. Erstens kämpfen wir als Gesellschaft noch mit viel größeren Problemen und zweitens leisten wir uns den Luxus, unser Potenzial nicht annähernd auszuschöpfen. Da geht also noch was.
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