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KOMMENTAR | TJARDS WENDEBOURG

An den Losen liegt es nicht

Die aktuelle Diskussion um den Losgrundsatz im Entwurf des Vergabebeschleunigungsgesetzes der Bundesregierung geht letztlich am Problem vorbei, meint Tjards Wendebourg im aktuellen Kommentar für FREIRAUM GESTALTEN.

von Tjards Wendebourg, Redaktion FREIRAUM GESTALTEN erschienen am 12.12.2025
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 Tjards Wendeburg
Tjards Wendeburg © Barbara Sommer

Für die neue Bundesregierung war es ein Coup, sich den vollen Schluck aus der Pulle zu genehmigen und die Schuldengrenze aufzuweichen. Doch sich Geld zu besorgen und Geld sinnvoll auszugeben sind bekanntlich zwei unterschiedliche Paar Schuh. Denn vorgesehen war ja, neben der Möglichkeit, nach dem russischen Angriff auf die Ukraine mehr Mittel in die eigene Verteidigungsfähigkeit zu stecken, breitflächig in die Infrastruktur zu investieren und damit die Wirtschaft zu stimulieren. Klingt gut, ist aber in der Umsetzung bekanntlich gar nicht so einfach. Wir leben in einem dicht besiedelten Land, in dem jede Baumaßnahme Schutzgüter und Interessen verletzt. Auch deshalb ist der Verwaltungsaufwand rund um das öffentliche Bauen gewaltig gewachsen.

Aus dieser Erkenntnis heraus hat die Bundesregierung ein Vergabebeschleunigungsgesetz entworfen. Es soll das Verfahren digitalisieren, Dokumentationspflichten abbauen und den Losgrundsatz flexibilisieren. Aber gerade da liegt einer der Haken des Entwurfs. Denn der Losgrundsatz sorgt dafür, dass öffentliche Auftraggeber grundsätzlich zur Aufteilung in Fach- und Teillose gezwungen sind. Nur das ermöglicht nämlich die Teilhabe kleinerer Auftragnehmer, wie sie etwa in der Landschaftsarchitektur üblich sind, am Submissionsgeschehen. Je größer das Los, desto größer ist die Anforderung an den Bieter, desto kleiner wird der Bieterkreis. Weil die Regierung sich die Förderung des Mittelstands auf die Fahnen geschrieben hat, hat sie in dem Entwurf die Hürden, vom Losgrundsatz abzuweichen, relativ hoch gelegt.

Zu hoch, findet der Bundesrat, der dem Gesetz zustimmen muss. Nach Ansicht der Länder geht der Entwurf weit über die Vorgaben der EU-Vergaberichtlinie 2014/24/EU hinaus. Sie beklagen, dass die Begründung der Ausnahme vom Losgrundsatz mit „zeitlichen Gründe“ kaum zu belegen sei und damit eine Rechtsunsicherheit einhergehe. Weil die Länderkammer nicht glauben, dass damit das Bauen beschleunigt wird, fordern sie eine Überarbeitung; im Klartext eine Erleichterung dafür, vom Losgrundsatz abzuweichen.

Das hat nach der ersten Lesung des Gesetzes die Verbände auf den Plan gerufen. Von der Bundesarchitektenkammer, über den bdla und den BGL pochen alle darauf, den Losgrundsatz beizubehalten und damit den Mittelstand im Spiel zu halten. Sie argumentieren, dass die wachsende Nutzung von Generalunternehmer- und Funktionalausschreibungen keineswegs das Bauen beschleunigt hat, sondern so vergebene Projekte eher langsamer laufen. Und das sollten sich auch die Länder gut überlegen: Zwar ist der Wunsch, alles aus einer Hand zu bekommen, aus der Kundenperspektive betrachtet, vollkommen verständlich. Doch die Bequemlichkeit, die sich Auftraggeber damit erkaufen, geht tatsächlich nicht unbedingt mit einer Zeitersparnis und schon gar nicht mit einer Qualitätssteigerung einher.

Je größer und professioneller ein Auftragnehmer ist, desto besser kennt er seine Rechte und die Möglichkeiten, seine Wertschöpfung zu steigern. Das lässt sich schon heute im Alltag gut erkennen. Das Submissionswesen hat sich auf der Anbieterseite so ausdifferenziert, dass hoch spezialisierte Bieter ihren Konterparts auf der Seite öffentlicher Auftraggeber bereits in der Regel überlegen sind; alleine weil der Personalmangel die Vergabestellen stärker belastet als die besser bezahlenden Bieter. Generalunternehmer haben einen größeren Wasserkopf, planen mit höherer Wertschöpfung und müssen deshalb mehr aus Projekten herausziehen. Das geht nur über Standardisierung sowie das konsequente Ausnutzen von Planungsfehlern und Regelabweichungen. Für die Auftraggeber wird es also zudem tendenziell eher teurer.

Für uns als Branche kann eine Förderung des Generalunternehmertums nicht wünschenswert sein. Trotzdem müssen wir auch anerkennen, dass in einer immer komplexeren Welt Kundinnen und Kunden der Wunsch treibt, beim Bauen mit möglichst wenigen Menschen reden zu müssen. Das gilt auch für öffentliche Auftraggeber, bei denen die Bereitschaft des Einzelnen, Verantwortung zu übernehmen, immer mehr abnimmt.

Im Großen und Ganzen zeigt die Diskussion unser Dilemma als Gesellschaft: Wir haben uns in einem Regelwerk verstrickt, das kaum noch Luft für große Würfe lässt. Der Versuch, das an dieser Stelle mit Generalunternehmertum lösen zu wollen, wird uns nicht daraus befreien, sondern belastet nur das Tagwerk aus kleinen Branchenteilnehmern. Was wir brauchen, ist ein gemeinsames Zielverständnis und eine Verpflichtung aller Beteiligten, sich darauf zu verständigen.

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