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Kommentar

Der Schwamm ist voll

Tjards Wendebourg kommentiert mit scharfem Blick in jeder Ausgabe FREIRAUM GESTALTEN Politik und Planung.

von Tjards Wendebourg erschienen am 20.03.2025
Chefredakteur Tjards Wendeburg kommentiert © Barbara Sommer
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Hätten wir in den letzten Jahren jedes Mal fünf Euro in einen Fonds überwiesen, bei dem der Begriff „Schwammstadt“ gefallen ist, wäre ein hübsches Sümmchen zusammengekommen. Das wiederum könnte man gut brauchen, denn offensichtlich sind weder die Städte noch die sie umgebenden Landschaften Schwämme. Im Saarland waren die Straßen noch nicht wieder trocken, als in Baden-Württemberg und Bayern viele Regionen im Frühjahr 2024 landunter gingen. Trotz früher Vorhersagen ließen sich die Auswirkungen nur bedingt in Grenzen halten. Wenn es innerhalb von 72 Stunden so viel regnet, wie sonst in einem Monat (mancherorts sogar das Doppelte), lassen sich in unserer dicht besiedelten Landschaft Schäden nicht vermeiden.

Umso ärgerlicher ist es da, wenn der bloßen Stimmenfängerei wegen Ursachen relativiert werden und notwendige Maßnahmen ausbleiben. Denn jede Überschwemmung ist die Summe von Millionen von Einzelereignissen, die sich dann zu einer Katastrophe aufsummieren. Ein kleines Filmchen dazu, das ich während des Regens in Niederbayern auf einem Acker oberhalb einer Quelle aufgenommen und auf LinkedIn gestellt hatte, zeigt in wenigen Sekunden das Dilemma und erzielte hohe Reichweite (siehe Link).

Es ist angesichts der fortschreitenden Klimaerwärmung, der trägen Klimaanpassungsmaßnahmen und der Größe der Aufgabe illusorisch zu glauben, man werde in Zukunft Überschwemmungen verhindern können. Die gab es schon immer und wird es auch immer geben; nur wahrscheinlich häufiger. Aber was sehr wohl möglich wäre, ist, ihr Ausmaß und ihre Auswirkungen zu beschränken.

Dabei sind die Kommunen in den potenziellen Überschwemmungsgebieten auf die Solidarität der übrigen Städte und Gemeinden angewiesen. Je effektiver es diesen gelingt, die Wasserströme in der Nähe der Quelle ihrer Entstehung aufzuhalten, desto geringer fallen die Fluten an den Unterläufen aus. Dafür steht eine riesige Palette von Maßnahmen zur Verfügung, die von der Schaffung von Pufferstreifen, über die Ausweisung von Überflutungsflächen und die Festlegung von Regenwassersatzungen bis zum Bau von Regenrückhaltebecken reichen. Es braucht dafür genaue Beobachtungen, wo in einer Gemeinde die Wasserströme anfallen und welche Stakeholder einbezogen werden müssen.

Erste Prämisse muss es sein, den alten Grundsatz „nach mir die Sintflut“ über Bord zu werfen, und das Prinzip Rückhaltung vor das Prinzip Ableitung zu stellen. Das jahrzehntelange Vertiefen der Gräben erhöht nicht nur die Schadenswahrscheinlichkeit an den Unterläufen, sondern verursacht zusätzliche Probleme vor Ort in den Dürrephasen – die ebenfalls zunehmen werden.

Bevor wir also die Mammutaufgabe bewältigen, den Städten Schwammfunktion zu verleihen, braucht es eine Schwammlandschaft. Die ließe sich wahrscheinlich aufgrund des mehr zur Verfügung stehenden Raumes und des geringeren Versiegelungsgrades sogar eher realisieren als die Schwammstadt. Dort verkämpft man sich ja gerade schon im Kleinklein und streitet, ob die Baumgrube mehr Wachtstumsoptimum (ja bitte!) oder mehr Versickerungsleistung (das eine muss das andere ja nicht ausschließen) gewährleisten muss. Ich fürchte, selbst die Summe aller Baumgruben wird nicht über Wohl und Wehe entscheiden.

Was es vielmehr auch in der Stadt braucht, sind Pläne zu potenziellen Pufferflächen und eine Strategie, die alle möglichen Maßnahmen auf ihr Pufferpotenzial hin bewertet. Das sind übrigens gute Aufgaben für Landschaftsarchitektinnen und Landschaftsarchitekten: Über strategisches Planen, vernetztes Denken und qualifiziertes Moderieren können sie eine wichtige Rollen im Prozess spielen – in der Stadt und auf dem Land.

Die kommunale Landschaft klimagerecht umzugestalten ist kein Sprint. Es ist eine Mammutaufgabe, die bestimmt nicht im Bierzelt gelöst wird, sondern durch geduldiges Verhandeln, Mitnehmen und Umsetzen. Sie erfordert um- und mitzudenken und sich bei den vielen Maßnahmen, die im Jahresverlauf im kommunalen Alltag umgesetzt werden, Gedanken darüber zu machen, wie sie sich auf Extremereignisse (und auch auf die Biodiversität!) auswirken könnten. Alle Akteure müssen dabei Hand in Hand arbeiten, von den unterschiedlichen Behördenebenen, über die Landwirtschaft bis zu den privaten Grundstückseigentümern. Das ist offensichtlich, dass es dafür gute Moderation und viel Überblick braucht.

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