
Alles viel ruhiga mit grünen Thuija
Franz Gerhard, leidgeprüftes Bauausschuss- und Kreistagsmitglied, berichtet aus dem Alltag der Ausschusssitzungen.
von Franz Gerhard, leidgeprüftes Bauausschuss- und Kreistagsmitglied erschienen am 09.12.2024Im Zentrum unseres Nachbarortes steht eine Mauer, genauer gesagt: der Fassadenrest eines ehemaligen Bauernhauses. Den vielen Verzierungen nach zu urteilen, müssen die Besitzer durchaus wohlhabend gewesen sein. Das Malheur an der Sache: Die Schokoladenseite zeigt Richtung Straße, zum Stadtpark hin – der nach Abriss des Gebäudes an dieser Stelle entstanden war –, präsentiert sich die geputzte Mauer im strahlenden Weiß. Zumindest sollte dies nach der letzten Restaurierung vor ein paar Jahren so sein.
Natürlich hatten Graffiti-Künstler schnell die neue Leinwand für sich entdeckt. Fast im wöchentlichen Rhythmus wechselte die Wand ihr Antlitz: weiß, bunt, weiß, bunt und so weiter. Polizei und Ordnungsamt lagen auf der Lauer, doch kurz nachdem der vermeintliche Täter gestellt war, fanden sich neue Wanddekorateure.
So könnte es doch nicht weitergehen, empörten sich Bürger und Gemeinderat gleichermaßen. Dann schien die Lösung gefunden: Man engagierte einen professionellen Wandmaler, der den Ort so darstellte, wie er vor 200 Jahren gewesen sein sollte. Doch auch dies hielt nächtliche Sprayer nicht ab. Die bis dahin doch etwas trist dargestellte Dorfgemeinschaft anno 1820 feierte nunmehr Karneval in Rio de Janeiro – zumindest war dieser Gedanke farblich gesehen unvermeidlich.
Ein Versuch, das ursprüngliche Wandbild zu retten, missglückte trefflich: War das Gemälde schon zuvor kein Ausbund an Lebensfreude, fühlte man sich jetzt an den Dreißigjährigen Krieg samt Pestausbruch erinnert. Erste Stimmen wurden laut, die sich bunte Graffitis zurückwünschten. Das rief den konservativen Teil der Einwohnerschaft auf den Plan, deren Argumentation sich auf „heute Schmierereien erlauben, morgen Weltuntergang erleben“ konzentrieren lässt.
Dass der Streit nicht weiter eskalierte, war dem Stadtgärtner höchstpersönlich zu verdanken, der direkt vor die Wand eine Thuja-Hecke pflanzte und damit auch das Getöse verstimmen ließ. Nur vom örtlichen NABU war wegen des fremdländischen, insektenfeindlichen Grüns noch ein Grummeln zu vernehmen.
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