Nach mir die Sintflut
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Dienstleister und Privatleute haben fast überall im Mai dafür gesorgt, dass dem zügellosen Wachstum von Gräsern und Kräutern ein Ende bereitet wird – zumeist inklusive der darin und darauf lebenden Fauna. Denn der Trend zum bequemen Mulchen kennt keine Gnade. Abgesehen davon, dass es auch unter Landschaftsarchitektinnen und Landschaftsarchitekten eine verbreitete Zuneigung zu plangrafischen Rasenflächen als Teil des Werkes gibt, waschen sich die meisten doch eher die Hände in Unschuld.
Als Planende sind wir Ideengebende und nicht Pflegende. Nach Umsetzung und Abnahme ist unsere Arbeit erledigt. Doch ich denke, wir werden unser Selbstverständnis an einigen Stellen korrigieren müssen. Man kann trefflich darüber streiten, ob die Spezialisierung – also die Beschränkung auf einzelne Teilbereiche der Profession – sinnvoll und zielführend für Branche und Werk sind. Worüber wir nicht streiten sollten, ist wieder mehr Ganzheitlichkeit in die Planung zu bekommen. Ein Park ist wie ein Garten keine Plangrafik, sondern ein dynamisches Gefüge aus Pflanzen und Materialien unter Einfluss von Wachstum, Witterung, Pflege, tierischem Leben und menschlicher Nutzung. So will er auch geplant werden: als stabiler Rahmen aus Konstanten und einem Spielraum aus Prozessen, die sich nicht alle festlegen lassen. Gerade die Pflege ist ein großer Einflussfaktor, der über das Wohl und Wehe eines solchen Werks entscheiden kann.
Als Fürst Hermann von Pückler sein Meisterwerk in Bad Muskau plante, waren nicht nur die gesellschaftlichen Rahmenbedingungen noch ganz andere. Der Gartenkünstler konnte sich das Spiegelbild seiner Vorstellung von Natur – eher Kulturlandschaft – als romantischen Luxus leisten. Die Natur war damals noch weitgehend intakt, ein Insektensterben hätte man sich ob der Vielfalt, die noch zu beobachten war, gar nicht vorstellen können. Den Menschen fehlten die Zeit und die technischen Möglichkeiten ihr Umfeld dermaßen zu überformen, als dass sie es geschafft hätten, alles aus- und aufzuräumen.
Feudale Gartenkunst hatte die Möglichkeit, ihre Romantik als Selbstzweck zu verwirklichen. Heute müssen wir das, was damals normal war und heute als „unordentlich“ gilt, mit großem Aufwand wieder herstellen. Wir müssen den Menschen erklären, dass die vermeintliche Errungenschaft der Moderne, alles sauber und abwaschbar machen zu können, kein anzustrebender Wert mehr ist, sondern uns dort hingebracht hat, wo wir jetzt leider stehen: ziemlich alleine auf weiter Flur. Gefordert ist nicht mehr und nicht weniger als eine Meisterleistung der Kommunikation: Es muss wieder unordentlich werden dürfen. Gerade in Deutschland ist das ein Angriff auf ein Selbstverständnis. Denn wer unordentlich ist, stellt sich außerhalb der Regeln.
Nichts anderes beweisen die Steinwüsten als Ausdruck mangelnder Zeit, fehlenden Wissens und einem Defizit an Selbstbewusstsein. Es wird also an uns Landschaftsarchitektinnen und -architekten sein, die Verantwortung nicht nur für ein Stück Papier oder eine Datei zu übernehmen, sondern für die Entwicklung des Werkes aus dem Blickwinkel der Erfordernisse. Dazu gehört nicht nur, zu jedem Werk ein Pflegekonzept zu entwerfen (und uns dabei auch mit Pflegetechniken zu beschäftigen). Vielmehr werden wir die Auftraggebenden dabei unterstützen müssen, neue Pflegekonzepte auch zu erklären und zu vermarkten.
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