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Nachhaltig, nachhaltig

Die Welt ist kompliziert geworden. Während wir schon gelernt haben, dass sich allein das Definieren des inflationär genutzten Begriffs „nachhaltig“ im Alltag als extreme Herausforderung erweist, so kommt jetzt noch einmal eine Dimension dazu: die Inflation.
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Tjards Wendebourg
Tjards WendebourgWilm
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In nächster Zukunft werden wir von unseren Auftraggeberinnen und Auftraggebern dazu aufgefordert sein, Projekte nachhaltig und bezahlbar zu bauen. Dabei war es noch nie ein Automatismus, dass nachhaltiges Bauen auch teuer sein musste. Aber ohne der Auftraggeberschaft Abstriche an überkommene Ordnungs-, Prestige- und Dauerhaftigkeitserwartungen abzuverlangen, wird es schwierig. Da diese aber in der Regel für die Geldgeber eine größere Bedeutung haben, als die Bereitschaft, Nachhaltigkeitskriterien gerecht zu werden, kommt in der Regel ein fauler Kompromiss zustande: eine Holzfassade für das Gebäude und Betonwerksteine für den Freiraum.

Böse Zungen behaupten ja, dass die alte HOAI zum teuren Bauen getrieben hat, weil das Honorar an die Bausumme gebunden war. Das teure Bauen kommt mittlerweile ganz von allein. Unser Honorar sollte sich deshalb an der Größe der Herausforderung orientieren und die besteht nicht nur in der eingangs skizzierten Abwägung zwischen nachhaltig und bezahlbar, sondern auch in der Herausforderung, gegen jene Ordnungs-, Prestige- und Dauerhaftigkeitserwartungen kommunizieren zu müssen. Ein Beispiel: Wenn bei den Bürgerinnen und Bürgern nur Betonstein und Asphalt als adäquate Befestigung wahrgenommen werden, bedeutet es einen hohen Aufwand, eine Kies- oder Mineralgemischfläche schmackhaft zu machen. Die Frage, wie viel Befestigung für welchen Zweck notwendig ist, dürfte einen Bürgerbeteiligungsworkshop hinreichend beschäftigen.

Das allgemeine Dilemma der Diskrepanz zwischen Lippenbekenntnissen und Bequemlichkeit, zwischen der Ankündigung, nachhaltig handeln zu wollen, und der Bereitschaft, es auch zu tun, wird den planerischen Alltag zunehmend prägen: Gepredigt wird Wasser, gesoffen wird Wein. Dazu kommt die grenzenlose Ambivalenz: Irgendwie ist alles und nichts nachhaltig. Ständig kommen neue Produkte auf den Markt, die aus irgendeinem Grund oder an irgendeiner Stelle des Herstellungsprozesses irgendeinem Nachhaltigkeitszertifikat gerecht werden. Das macht klare Aussagen nahezu unmöglich, ohne selbst in eine zeit- und ressourcenintensive Recherche einzusteigen. Für Planerinnen und Planer ist das kaum zu leisten. Und für die Auftraggeberseite hat man ohnehin das Gefühl, dass eine gut verpackte Begründung deutlich wichtiger ist als nachvollziehbare Nachhaltigkeit. Deshalb ist es gut, eine eigene Materialphilosophie zu entwickeln und jedem Baustoff eine gut begründete Bilanz zuzuweisen. Langes Leben, kurze Transportwege, gute Wiederverwendbarkeit, geringer Herstellungs-Energieaufwand oder der Einsatz erneuerbarer Energien sind dabei passende Parameter. Ohne Prioritäten wird es nicht gehen. Bauen heißt immer auch verbrauchen.

Eines muss sich aber auf jeden Fall ändern: Die überkommenen Ordnungs- und Sauberkeitsvorstellungen müssen weg. Sie verhindern das Gestalten mit dynamischen Baustoffen und tragen zum Artensterben bei. Sterile Freiräume sind schon deshalb nicht nachhaltig, weil sie einen hohen Betreuungsaufwand verlangen und die Natur auszusperren versuchen. Gerade aber das Gestalten mit Natur, mit Pflanzen, mit Elementen, die sich im Zeitverlauf stark verändern, wird der wichtigste Ansatz für gelebte Nachhaltigkeit sein. Für Landschaftsarchitektinnen und Landschaftsarchitekten wird das eine besondere Herausforderung. Weil die Entwicklung dieser Baustoffe viel schwieriger vorherzusagen ist und weil sie uns viel, viel mehr Kommunikation abverlangen. Aber wer den Job mal aufgenommen hat, weil sie oder er sich mit Natur beschäftigen wollte – voilà, die Kompetenz wird gefragter denn je. Auch wenn es kein Selbstläufer wird.

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