Von nichts kommt nichts
Wir müssen mehr für unser Standing tun, meint Redakteur Tjards Wendebourg in seinem Kommentar für FREIRAUM GESTALTEN. Lesen Sie seine Position.
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In einem Interview mit einem namhaften Landschaftsbau-Unternehmer wurde ich mit der Aussage konfrontiert, dass die Landschaftsarchitektur aus seiner Sicht stark an Standing verloren habe.
Das ist eine Meinung, zudem aus einer Branche, die aus unterschiedlichen Gründen mit einer gewissen Distanz zur Landschaftsarchitektur steht. Und das, obwohl es ob der Abfolge von Planung und Umsetzung sowie der gegenseitigen Abhängigkeit ganz anders sein sollte. Was die Aussage interessant macht, ist, dass es sich um einen sehr erfahrenen Unternehmer gehandelt hat, der seinen Betrieb ganz bewusst auf die Zusammenarbeit mit Landschaftsarchitekten ausgerichtet hat, sehr viel für die Pflege der Beziehungen tut und zugleich auf einen Zeitstrahl von 25 Jahren zurückblicken kann. Es wäre unangebracht, die Beobachtung – gemacht in einer sehr erfolgreichen Region – nicht zu reflektieren. Wir haben in den letzten Jahren eine Differenzierung des Marktes erlebt. Die Büros haben sich spezialisiert. Die Generalisten sind weniger geworden. Zwischen den Kompetenzen für den Entwurf und die Ausführung klaffen aber Welten, weswegen die einzelnen Leistungsphasen oft auch von ganz unterschiedlichen Menschentypen betreut werden. Die Planerin oder der Planer fällt als starkes Kontergewicht im Prozess schon deshalb aus, weil die Rolle und die Beziehung zum Werk von Entwerfenden andere sind als von Baubetreuenden. Es gibt dann nicht mehr die „Stimme der Landschaftsarchitektur“, sondern nur noch die Stimmen unterschiedlicher Interessenträger.
Der Blick auf das Ganze geht dabei schnell verloren. Das Standing sowieso. Hinzu kommt, dass der Bologna-Prozess dazu geführt hat, dass Studierende mit immer weniger Praxiserfahrung aus dem Studium kommen. Waren früher vorgeschaltete Ausbildungen häufig und Praktika vorgeschrieben, fehlen Absolventen diese Erfahrungen heute oft. Wer direkt nach dem Abi in ein Studium einsteigt, hat an der Hochschule kaum die Chance, so viel Standing zu entwickeln, dass er oder sie am Ende den bautechnischen Abwägungsprozess mit Ausführungsunternehmen führen kann. Wenn dann noch eine naturferne Sozialisation zu beklagen ist, wird der Weg zu Kompetenz und damit zum Standing ein ganzes Stück länger. Wir dürfen jetzt schon mal erwarten, dass sich die Kompetenzen und Leidenschaften zunehmend verschieben – weg von den Naturerfahrungen (die letztlich Basis für viele fachliche Entscheidungen sind), hin zu digitaler Technik.
Als weiterer Grund kommt hinzu, dass wir die Berufseinsteiger bis in die jüngere Vergangenheit nicht gerade hofiert haben. Wenn wir heute einen Fachkräftemangel haben, dann nicht nur deshalb, weil es an Schulabgängern mangelt. Es wirken die Zeiten nach, in denen sich herumgesprochen hatte, dass der Einstiegslohn in einem Landschaftsarchitekturbüro weder zum Leben noch zum Sterben reicht. Das hat viele in andere Branchen getrieben und das Studienfach auch nicht wirklich attraktiv gemacht – trotz des aktuell wieder großen Wunsches vieler junger Menschen „irgendwas mit oder für die Natur“ zu machen. Wo aber die Leute fehlen, ist es auch nicht einfach, Standing zu entwickeln. Standing heißt am Ende nicht, dass sich Landschaftsarchitektur über die Interdisziplinarität von Wettbewerben im Entwurf wiederfindet. Standing heißt, dass die Branche durch Kompetenz und Streitbarkeit gewährleistet, dass die Freiraumkunst aus dem Entwurf am Ende auch zur Umsetzung kommt. Und zwar in einer Form, in der die Funktionalität der Idee erhalten bleibt und Entwurfsanmutung nicht zum bloßen Schmuck der Architektur wird. Das kann nur gelingen, wenn wir stärker um junge Menschen werben und ihnen anschließend eine Ausbildung zuteilwerden lassen, die sie ermächtigt, dieser Aufgabe gerecht zu werden. Sonst fehlt es am Ende nicht nur an Standing, sondern an Menschen.
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