Weniger ist mehr
Wer unsere Kolumne „Gestern im Bauausschuss“ einmal durch eigenes Erleben greifbarer machen möchte, nehme doch einfach den öffentlichen Teil der regelmäßigen Sitzungen in der jeweiligen Heimatgemeinde zum Anlass. Kämpft man sich dort durch die Tagesordnung (zuerst kommen immer die Baugenehmigungen), wird man erstaunt feststellen, welchen Raum die Stellflächen einnehmen; also jene mehr oder weniger genutzten Flächen, die BauherrInnen bei Neu- oder Umbauten am Ende nachweisen müssen. Der Stellplatz, so scheint es, ist im Auto-Fetischland der Ausweis des Dazugehörens.
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Deswegen muss man in der Regel auch nur Investoren zwingen, Stellplätze nachzuweisen: Wer sich in jüngerer Zeit errichtete Neubausiedlungen ansieht, wird feststellen, dass private Bauherren und -damen schon freiwillig einen großen Teil ihres teuer erworbenen Baugrundes zu Stellplätzen downcyceln. Da freuen sich ganz besonders die Hersteller von Betonwerksteinen, dass fast jedes Einfamilienhaus über eine Doppelgarage mit entsprechend dimensionierter Auffahrt verfügt. Dass die geschotterten Restflächen („Schottergärten“) angesichts der massiven Gesamtversiegelung dann noch die Gemüter erhitzen, grenzt schon fast an Schizophrenie. Zwar wird allseits der öffentliche Flächenfraß beklagt. Dass aber die Bürger selbst den rücksichtslosen Umgang mit ihnen anvertrauter Fläche betreiben, wird selten offen diskutiert. Wie rücksichtslos der Umgang auch im öffentlichen Raum gepflegt wird, zeigen dabei jene immer häufiger zu beobachtenden FahrerInnen von Luxuskisten, die für ihren Schlitten gleich zwei Parkplätze beanspruchen. Wer sein Auto liebt, lässt es nicht etwa im heimischen Fahrzeugtempel, sondern schont es in der Öffentlichkeit vor Kratzern und Anfahrschäden durch skrupellose Raumaneignung.
Dieses Problems will sich jetzt die Forschungsgesellschaft für Straßen und Verkehrswesen (FGSV) annehmen. Weil Personenkraftfahrzeuge seit Jahren krankhaftes Riesenwachstum in Länge und Breite zeigen, möchten die Regelwerksgeber die Normen für den Standardparkplatz anpassen. Um 15 cm sollen Stellplätze in den Empfehlungen für Anlagen des ruhenden Verkehrs (EAR) künftig breiter werden. Denn gerade die Breite ist ob des seitlichen Einstieges ein besonderes Problem. Speziell für Tiefgaragen und Parkhäuser sei die Empfehlung gedacht, meint die Urheberin der Empfehlung, Petra Schäfer von der Frankfurt University of Applied Sciences gegenüber dem Magazin Spiegel. Das zugrunde liegende Kfz-Normmodell der FGSV, das sogenannte Bemessungsfahrzeug, ist mittlerweile 1,89 m breit und 4,88 m lang. Es bildet den Durchschnitt der neu zugelassenen Pkw ab, 85 % sollten entweder genauso groß und breit oder kleiner und schmaler sein. Die Verbreiterung des Normparkplatzes von derzeit 2,5 × 5,0 m um 15 cm kommt einem Flächenmehrverbrauch pro Einzelstellplatz von 6 % gleich.
Bevor wir nun mit dem Finger auf die Industrie zeigen und das Fahrzeugwachstum anprangern: Nein, auch hier kommt der Egoismus jeder Einzelnen, jedes Einzelnen zum Tragen: Unser Sicherheitsbedürfnis, unser Verlangen nach Luxus lässt die Blechkisten wachsen. Was nicht gekauft würde, würde auch nicht gebaut. Wer nun auf die Idee kommen sollte, den Parkraum um 6 % zu erweitern, weil der Bedarf pro Fahrzeug um diesen Wert wächst, verdient es, ein klares Stoppsignal gezeigt zu bekommen! Lieber 6 % weniger Parkplätze, ein verbessertes Angebot an öffentlichen Verkehrsmitteln und eine effiziente Parkraumbewirtschaftung. Und wenn schon Parkplatz – dann bitte weniger Asphalt und Betonstein und mehr Alternative und weniger dichte Beläge, wo immer es geht. Individualverkehr ist in der Stadt ein Auslaufmodell. Und es wäre absurd, das durch überdimensionierten Parkraum zu negieren. Weniger Parkplatz ist ohnehin mehr Lebensraum.
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