
„Radikale Teamplayer“ gesucht
Zwei Tage geballtes Wissenstransfer zu Gebäudegrünung im Bestand erwartete die Teilnehmer des diesjährigen BuGG-Fachkongresses in Berlin. Das Interesse der Kommunen war hierbei groß, denn in grünen Fassaden und Dächern steckt viel Potenzial, den Klimazielen näherzukommen.
von Heike Vossen erschienen am 12.05.2025Das Interesse war groß, über 200 Interessierte aus Forschung, Planung und Praxis nahmen am zweitägigen Kongress teil. Das Wachsen des Verbands, um schlagkräftiger zu werden, benannte Präsident Gunter Mann als zentrales Interesse des Bundesverbands Gebäudegrün (BuGG). Aktuell hat der Verband knapp 600 Mitglieder. VGL-Präsident Thomas Banzhaf mahnte, dass der Klimawandel aktuell aus dem Fokus von Politik und Entscheidungsträger gerückt sei, der massive Ausbau unsere Städte mit Grün aber evident sei: „Wir müssen jetzt konkret die Weichen für mehr Grün stellen.“
© Heike VossenDer Raum in der Stadt ist stark umkämpft, daher ist Dach- und Fassadenbegrünung so attraktiv. Britta Behrendt, Staatssekretärin Senatsverwaltung für Klimaschutz und Umwelt, Berlin
Unterstützung kommt hier aus der Politik: Britta Behrendt, Staatssekretärin der Berliner Senatsverwaltung für Klimaschutz und Umwelt fordert auf, „radikale Teamplayern“ zu werden, dabei den Leuten zuzuhören, Lösungen zu finden und ihre Ängste zu nehmen. Denn jedes Gründach sei das Ergebnis einer Teamarbeit! Da der Raum in der Stadt stark umkämpft sei, bilden Dächer und Fassaden noch freie Räume, die sich als Trittsteinbiotope eignen und für die Klimaanpassung und -resilienz eine wichtige Rolle übernehmen können.
Potenziale, Hürden und Chancen
Die Tagungsthemen zum Start waren eher politisch und fachlich übergeordnet. In Themenblöcken gegliedert, mit jeweils anschließenden Podiumsdiskussionen, leitete Peter Menke (ned.work) versiert durch das Programm. Argumente für nachträgliche Gebäudebegrünung lieferte etwas Peter Küsters von Grün.Stadt.Klima und benannte dabei Werterhalt und Wertsteigerung. In beispielhaften Simulationsmodellen zu Kosten-Nutzung-Rechnungen bei gebäudetechnischen Änderungen belegte er, warum ein schnellerer Wertverlust bei nicht-klimaangepassten Immobilien drohe (stranding assetts). Er forderte dabei die fachliche Verantwortung der Immobilienbesitzer und -verwalter. Zugleich brauche es aber eine einfache, niederschwellige Gebäudeanpassung.
Jürgen Utz, Leiter Nachhaltigkeit der List-Gruppe, sprach über die Potenziale des EU- Nachhaltigkeits-Reportings (CSRD). Obwohl die Anwendung der Richtlinie kürzlich verschoben wurde, seien die dort geforderten Klimaanpassungsstrategien „ein geniales Tool, um die eigenen Strategien zu bewerten.“ Die Natur wird dabei als eigenständiger Stakeholder erachtet, aber die Hürde bleibt, dass sie nicht quantifizierbar, sondern nur qualifizierbar sei. Ein Fazit von Utz: Die meisten Planer können ihre Lösungen bislang nicht in die CSRD-Logik übersetzen. Und obwohl Verluste von Ökosystemleistungen häufig gar nicht oder nur mit viel Kosten und Aufwand umkehrbar seien, passiere nichts oder wenig. Denn den Banken und Investoren fehle die Rendite-Risiko-Berechnung. Utz plädierte für dynamische Systeme bei der Klimaanpassung anstelle fixer Zertifizierungen.
„Wir müssen die Dachbegrünung in den Regelablauf der Sanierung integrieren“, forderte Matthias Kaiser von der TU Dortmund in seinem Vortrag. Solange die Gebäudebegrünung nicht als Standard bei Unternehmern und öffentlichen Trägern verankert werde, bleibe der Wirkungsgrad zu gering.
Carolina Bianchin zog in ihrer Masterarbeit ein ähnliches Resümee: Notwendig seien Vereinfachung und Standardisierung von Genehmigungsverfahren, ein einheitliches Antragsverfahren und integrierte Systeme - beispielsweise über digitale Antragsplattformen.
Gordon Denner von FLO Systems drang auf eine Dichtigkeitsprüfung bei Bestandsdächern: „Speziell bei alten Dächern braucht es oft lange, bis ein Loch oder Schaden entdeckt wird.“ Entsprechend groß sei dann jedoch der Schaden.
Der zweite Tag war zu großen Teilen den Gründachsystemen und der Bauphysik gewidmet. Der Bauphysiker und Bausachverständige Jörg Brandhorst thematisierte die Belüftung von Holzdächern. Bei einer zwingenden Hinterlüftung, sei immer eine bauphysikalische Berechnung notwendig (Nachweis Blower Door). Die Folgeredner vertieften die Themen Windlast und Brandschutz. Letzterer wird zukünftig gelockert werden, denn umfassende Tests der TU München ergaben ein weniger problematisches Brandverhalten von Bepflanzungen, als ursprünglich angenommen. So hat weder die Wahl der Pflanzenart einen Einfluss auf das Brandverhalten, noch ist die Trockenheit nachteilig. Bei Holzfassaden entstehe kein Zündschnureffekt, so ein Ergebnis aus der Forschung von Thomas Engel, TU München.
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