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Porträt: Siedlungswerk Stuttgart

Lebendige Gärten im Baukastensystem

Auf dem Gelände der Landesgartenschau Wangen 2024 errichtete das Siedlungswerk ein Wohnquartier. Leitidee seiner Wohnbauprojekte ist die soziale Durchmischung. Die Außenanlagen realisierte das Landschaftsarchitekturbüro Stefan Fromm, das die Jury im freiraumplanerischen Wettbewerb mit „Garten-Bausteinen“ überzeugen konnte, das sich an das Bauprinzip der Hofhäuser orientiert.

von Susanne Wannags erschienen am 09.10.2024
Dank der Landesgartenschau können sich die Bewohner der Geschossbauten über einen farbenfrohen Ausblick freuen. © Siedlungswerk Stuttgart
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Ein zukunftsorientiertes Wohngebiet, familienfreundlich und mit hoher sozialer Durchmischung – das war der Wunsch der Stadt Wangen für das neue Quartier in den Auwiesen, das bis vor wenigen Wochen noch Teil der dortigen Landesgartenschau (LGS) war. Neben einer hohen gestalterischen Qualität und der Verzahnung des umliegenden Grün- und Landschaftsraums legte die Kommune bei den planerischen Entwürfen der Häuser Wert auf verdichtetes Bauen und die Verwendung nachwachsender Rohstoffe. Den Architekten- und Investorenwettbewerb konnte das Siedlungswerk Stuttgart zusammen mit dem Architekturbüro a + r aus Stuttgart für sich entscheiden.

Sozial gemischte Quartiere

Eine Leitidee der Wohnbauprojekte des Siedlungswerks Stuttgart ist die Durchmischung, sowohl was soziale Schichten, Altersstrukturen als auch Gebäude- und Wohnformen betrifft. 1948 von der Diözese Rottenburg gegründet, die bis heute zu 74,6 % Gesellschafter ist, bestand die Hauptaufgabe des Siedlungswerks nach dem Zweiten Weltkrieg in der Schaffung von dringend benötigtem Wohnraum. „Unser sozialer Auftrag ist bis heute Bestandteil der Projektentwicklung“, sagt Pascal Späth, der beim Siedlungswerk für kaufmännische Projektentwicklung und Projektmanagement zuständig ist.

Von den seit der Gründung rund 33.000 Wohneinheiten befinden sich aktuell etwa 5.500 Wohnungen im Besitz des Siedlungswerks, die Hälfte davon ist öffentlich gefördert. Für die Häuser und Wohnungen im freien Verkauf kommen nur Eigennutzer oder Kapitalanleger zum Zug, keine Investoren. „Wir versuchen nach Möglichkeit in sozial gemischten Quartieren die Häuser und Wohnungen etwa zu dritteln, also ein Drittel Eigentum, ein Drittel Mietwohnungen und ein Drittel geförderte Mietwohnungen“, sagt Späth. Auf dem Auwiesenareal in Wangen entstanden 22 Reihenhäuser, von denen derzeit sechs Häuser verkauft sind und 16 vermietet werden. Die 37 Wohnungen in den drei mehrgeschossigen Häusern teilen sich auf in 15 Eigentumswohnungen und 22 vermietete, davon 16 gefördert.

Viel Fläche auf kleinem Grundstück

Viel Wohnfläche auf einem kleinen Grundstück – das ist das Konzept der Hofhäuser in Holzbauweise auf dem Auwiesenareal. „Unser Ziel bei den Reihenhäusern war es, den Flächenverbrauch bei hohem Wohnwert so klein wie möglich zu halten“, erklärt Späth. Jedes der Reihenhäuser umschließt einen kleinen, privaten Hofgarten. Mit zum Konzept gehören drei Geschosswohnungsbauten mit insgesamt 37 Wohneinheiten, auf denen es jeweils eine Gemeinschaftsdachterrasse gibt. Die Wohnqualität im Quartier wird geprägt durch die weitläufige Grünfläche des angrenzenden Auwiesenparks, der nach der Landesgartenschau als attraktiver Naherholungsbereich erhalten bleibt. Ebenso durch die Flusslage an der renaturierten Argen. Diese hohe Aufenthaltsqualität sollte sich in der Gestaltung der öffentlichen, halböffentlichen und privaten Flächen fortsetzen. Beim freiraumplanerischen Wettbewerb des Siedlungswerks Stuttgart wurde ein Konzept gesucht, das umsetzbar, für andere Standorte reproduzierbar und dauerhaft ist. Auch die Nachhaltigkeit bei der Ausführung und den verwendeten Pflanzen und Materialien spielte eine Rolle. Im Freiraumwettbewerb überzeugte das Landschaftsarchitekturbüro Stefan Fromm aus Dettenhausen.

Leidenschaft für Landesgartenschauen

Stefan Fromm gründete das Büro 1990 und machte sich mit gewonnenen Wettbewerben für Landesgartenschauen einen Namen: „2000 haben wir in Kaiserslautern innerhalb von 21 Monaten die Landesgartenschau gebaut“, erinnert er sich. Für die LGS Bingen war dann schon etwas mehr Zeit, nämlich zweieinhalb Jahre. Damals gestaltete das Büro Fromm das 2,5 km lange Rheinufer der Schau. Es folgten die Landesgartenschauen Villingen-Schwenningen 2010 und Nagold im Jahr 2012. Für Fromm ist eine Landesgartenschau ein Ort, an dem die Leistungsfähigkeit der Landschaftsarchitektur ihren Ausdruck findet. „Dort gibt es einen hohen gestalterischen Anspruch. Man kann aus dem Vollen schöpfen, gemeinsam mit einem tollen Team aus Bauherren, Planern und Ausführenden. Die Energie und Motivation der Beteiligten ist inspirierend. Und es ist schön zu sehen, wie die Gestaltung von den Besuchern angenommen wird.“

Mittlerweile liegt der Schwerpunkt von Fromm und seinen etwa 10 Mitarbeitern auf der Gestaltung von Stadtquartieren. Mit dem Siedlungswerk Stuttgart hat das Büro schon einige Male zusammengearbeitet. Im freiraumplanerischen Wettbewerb für die Wohnsiedlung auf der LGS Wangen überzeugten Fromm Landschaftsarchitekten mit den „Wangener Garten-Bausteinen“. Angelehnt an das Baukastenprinzip der Hofhäuser entstehen aus verschiedenen Modulen wie Belägen, Hecken, Beeten (bodenbündig oder als Hochbeet), Rasen, Wiesen, Wasserbecken und Rankgerüsten je nach Bedarf, Familiensituation, gestalterischen Vorstellungen und Budget kleinteilige, räumlich attraktive, ökologisch vielfältige und hochwertig gestaltete Gärten. Wichtiges Merkmal ist dabei, dass das Grundraster der Gärten aus den wesentlichen Bezugslinien des Hauses entwickelt wird und damit eine gestalterische Einheit mit dem Haus bildet, ohne formale Strenge. Einzelne Rasterfelder lassen sich zusammenfassen oder getrennt gestalten: zu großen Rasen- oder Terrassenflächen, zu kleinteiligen Beetgärten für Gemüse oder Blumen oder auch zu attraktiven Wasser- und Schmuckgärten. Modellhaft wurden verschiedene Gartentypen entwickelt, wie beispielsweise der Food-Garden, der mediterrane Garten, der Familiengarten und das „Grüne Zimmer“. „Es gibt eine Basisstufe, die eine Terrasse, Rasen, Bodendecker, Zuwegung und Sträucher beinhaltet und Qualitätsstufen mit Sitzgelegenheiten, Stauden und einem Solitärbaum“, erklärt Fromm. Auch unterschiedliche Materialien können hier gewählt werden.

Abstriche aufgrund der Immobilienkrise

Soweit der Plan. Die Immobilienkrise versetzte dem hoch ambitionierten Projekt jedoch einen Dämpfer. Das Baukastenprinzip erfüllte die Wünsche der Wettbewerbsauslober nach Umsetzbarkeit, Dauerhaftigkeit sowie Übertragbarkeit des Konzeptes auf andere Projekte und Orte perfekt, ist jedoch aufwendiger zu realisieren als eine einheitliche Gestaltung mit einfachen Grundelementen wie Terrasse und Rasen. Die Basisversion wurde in allen Gärten der Hofhäuser umgesetzt, die Qualitätsstufe wurde in den vier Gärten gebaut, die während der Landesgartenschau besichtigt werden konnten. Einer davon ist beispielsweise der Food-Garden, in dem Sträucher wie Kiwi (Actinidia arguta 'Issai' und 'Weiki'), Feige (Ficus carica 'Brown Turkey') und verschiedene Beerensträucher das sommerliche Naschvergnügen sichern. Im mediterranen Garten sorgen Storchschnabel (Geranium sanguineum var. striatum), Elfenblume (Epimedium rubrum 'Galadriel'), Weißbuntes Zittergras (Briza media 'Zitterzebra'), Dost (Origanum laevigatum 'Rosenkuppel') und andere trockenheitsverträgliche Stauden für südländische Atmosphäre.

Das Modulprinzip wurde auch auf die drei Geschosswohnungsbauten übertragen. Auf den Dächern der Häuser befindet sich jeweils eine Gemeinschaftsterrasse. Die Terrassen sind nicht nur für die Bewohner des Hauses, sondern auch für die Bewohner der Nachbargebäude zugänglich. „Wir haben hier zwei Varianten entwickelt. Bei Typ A gibt es eine Pergola, bei Typ B statt der Pergola eine Holzterrasse.“ Sitzelemente, Hochbeete aus Stahl, Rasenflächen, Sträucher, Wandbegrünungen und Staudenbeete sorgen auf den Dachgärten für eine hohe Aufenthaltsqualität. Die Gärten der Erdgeschosswohnungen grenzen an die Promenade an. Dort sichern Heckenriegel die notwendige Privatsphäre. Die Fassaden der mehrgeschossigen Häuser sind mit Kletterpflanzen begrünt und schaffen zukünftig einen optischen, vertikalen Übergang zum Auwiesenpark.

Das Herzstück: der Nachbarschaftshof

Damit gute Nachbarschaft bei sozial gemischten Quartieren gelingen kann, braucht es Begegnungsräume. Zentrales Element des sozialen Konzepts und Herzstück des Wohnquartiers ist der Nachbarschaftshof als Treffpunkt für die Bewohner. Der städtebaulich großzügig angelegte Nachbarschaftshof wurde als vielfältig und eher kleinteilig gestalteter öffentlicher Raum mit hohem Grünanteil und verschiedenen Nutzungsangeboten verstanden und entsprechend gestaltet. „Es gibt einen Pavillon, Sitzplätze und eine Outdoorküche für die Anwohner“, erklärt Fromm. Im Nordosten befinden sich als grüne Abgrenzung zu den Reihenhäusern mit Stauden, Gräsern und Gehölzen bepflanzte Beete. Sofern gewünscht, können sie von den Bewohnern zukünftig auch als Selbsterntegärten bewirtschaftet werden. Die Wasserversorgung erfolgt über eine Zisterne, die das Wasser des Pavillondachs auffängt. An der Rückseite des Pavillons ist eine E-Ladestation für Fahrräder installiert. Dort stehen auch Lastenräder zum Verleih bereit. Für Kinder gibt es einen Wasser- und einen Sandspielplatz und ein Heckenlabyrinth aus Hainbuchen (Carpinus betulus). Für Schatten auf dem Nachbarschaftshof sorgen eine Kaiserlinde (Tilia intermedia 'Pallida'), zwei Purpurerlen (Alnus 'spaethii') und ein Spitzahorn (Acer platanoides). Bei der Auswahl der Gehölze achteten die Planer auf standorttolerante, stadtklimaresistente Bäume und Sträucher. Bei der Pflanzplanung unterstützte Christina Dorsch aus Neustadt an der Weinstraße, die bereits bei den Planungen für die LGS Kaiserslautern und Bingen am Rhein mit von der Partie war. „Pflanzplanung ist ein Spezialgebiet, das man als normaler Landschaftsarchitekt fast nicht abdecken kann“, sagt Fromm. „Gleichzeitig ist es aber genau das, was den Charme und den Charakter einer Planung ausmacht.“ Neben der Attraktivität für die Bewohner spielen für den Bauherrn bei der Freiraumgestaltung auch die Biodiversität und die Folgekosten der Bewirtschaftung eine Rolle. Aktuell obliegt die Pflege der gemeinschaftlichen Grünflächen noch dem Siedlungswerk Stuttgart. „Anschließend ist vorgesehen, die Pflege zu beauftragen“, sagt Pascal Späth. Denn Orte der Begegnung funktionieren nur mit hochwertigen Freianlagen. Doch der Erhalt eines grünen, attraktiven Umfelds kostet die Bewohner Geld. „Daher ist es bei der Vermietung und dem Verkauf enorm wichtig, das Konzept gut zu erklären.“

Projektdaten
  • Bauherr: Siedlungswerk GmbH, Stuttgart
  • Landschaftsarchitektur: Stefan Fromm Landschaftsarchitekten, Dettenhausen
  • Hochbau: a+r Architekten, Stuttgart
  • Gesamtfläche Freianlagen: 3.300 m² (Reihenhäuser), 1.660 m² (Mehrfamilienhäuser)
  • Fertigstellung: 2023
© Siedlungswerk GmbH
Kontakt

Siedlungswerk GmbH Wohnungs- und Städtebau Heusteigstraße 27/29 70180 Stuttgart www.siedlungswerk.de

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