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Interview mit Ulrike AufderHeide und Co-Autoren der Studie

Wie biodivers sind unsere Zukunftsbäume?

„Zukunfts- oder Klimabäume“ sollen mit der zukünftig zu erwartenden Trockenheit und dem Hitzestress in den Städten klarkommen. So hat die Gartenamtsleiterkonferenz (GALK) hierzu eine entsprechende Empfehlungsliste von rund 66 Baumarten und -sorten veröffentlicht. Was diese aber nicht berücksichtigt: Wie nützlich diese Arten für Insekten und andere Organismen sind – so die Kritik unserer Interviewpartner, Ulrike Aufderheide, Christoph Peters, Karsten Mody und Heinke Marxen-Drewes, die eben dies in einer gemeinsamen wissenschaftlichen Studie untersucht haben.

von Heike Vossen erschienen am 17.02.2025
Einheimische Arten bieten zahlreichen spezialisierten phytophagen Organismen einen Lebensraum – ohne dass die Vitalität des Baumes darunter leidet. Das ist gerade bei den stark genutzten einheimischen Eichen-Arten gut sichtbar. © Ulrike Aufderheide
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Zur Person
Ulrike Aufderheide
Ulrike Aufderheide ist Diplom- Biologin, Planerin und Buchautorin. Sie ist seit langer Zeit im Natur- Garten e. V. aktiv. Die Interviewfragen beantwortete die Forschungsgruppe gemeinsam. aufderheide@calluna-naturgarten.de
Bäumen wird eine Schlüsselrolle im urbanen Raum zugesprochen – warum? Wenn es heiß ist, suchen wir gerne den Schatten von Bäumen auf, da dort eine angenehme Kühle herrscht. Dies liegt zum einen an der Beschattung, zum anderen an der großen Blattfläche pro Quadratmeter. Über die Verdunstung von Wasser aus den Atemöffnungen der Blätter wird die Umgebung abgekühlt. Gleichzeitig bieten Bäume aber auch ein großes Volumen an Lebensraum für viele Tiere, zumal Bäume in Städten und Dörfern oft frei stehend sind und frei stehende Bäume von besonders vielen Tieren, aber auch von anderen Organismen wie Moosen, Pilzen und Flechten als Lebensraum genutzt werden. Dies mag einer der Gründe sein, warum der besiedelte Raum mittlerweile eine höhere biologische Vielfalt beherbergt als die umgebende Landschaft. Die GALK-Straßenbaumliste zeichnet eine Baumauswahl sogenannter Zukunftsbäume aus – enthalten sind sowohl heimische als auch viele nicht heimische Arten – inwiefern könnte eine intensive Nutzung der nicht heimischen Arten problematisch werden? Nun, der Gedanke, dass wir für ein neues Klima auch neue Bäume brauchen, scheint erst einmal intuitiv richtig zu sein. Allerdings ist es wichtig und notwendig, die Klima- und Biodiversitätskrise immer gemeinsam zu denken und Synergien zu nutzen. Da ist die gemeinsame Evolution, die Koevolution einer Pflanzenart mit der zugehörigen Fauna und Pilzflora, ganz entscheidend für die Frage, inwieweit eine Pflanze die biologische Vielfalt fördern kann, insbesondere wenn die Basis der Nahrungsnetze, die pflanzenfressenden (herbivoren) und parasitischen Arten, betrachtet werden. Bei fehlender Koevolution ist diese unterste Ebene meist reduziert, was die biologische Vielfalt dann insgesamt beeinträchtigt. Denn biologische Vielfalt bewirkt biologische Vielfalt. Jede Art ist wiederum Lebensraum für andere Arten. Das gilt sowohl für Pflanzen als auch für die von ihnen lebenden Tiere und Pilze. Bei der GALK-Liste spielt die Biodiversität keine Rolle – aber sicher gibt es andere Empfehlungslisten, die Vielfalt berücksichtigen? Ja, der Schweizer Biodiversitätsindex von Gloor et al. (2021) kommt zu ähnlichen Ergebnissen wie unsere Untersuchung. Dort wurden Experten zum Wert verschiedener Baumarten befragt und eine Literaturrecherche zum Thema durchgeführt. Die unterschiedlichen Empfehlungslisten gaben Ihnen Anlass für Ihre Forschung. Was war Ihre Fragestellung? Die zentrale Fragestellung war, inwieweit in der Auswahl der Bäume in den verfügbaren Empfehlungslisten, vor allem der GALK-Liste, effektiv das Kriterium des Nutzens des jeweiligen Baumes für die einheimische Biodiversität berücksichtigt ist, das heißt, inwieweit die Auswahl der Klimabäume dem Kriterium der Biodiversität Genüge tut. Wir haben also verschiedene Empfehlungslisten, auch solche aus dem Naturgartenbereich, die sich auf einheimische Arten konzentrieren, zusammengestellt und untersucht, inwieweit die Baumarten korrelieren mit dem Kriterium der Zahl der Tier- und Pilzarten, die auf oder von dem jeweiligen Baum leben.
Übersicht der verwendeten Baumarten-Empfehlungslisten
Übersicht der verwendeten Baumarten-Empfehlungslisten © Aufderheide et al.
Nach welchen Methoden haben Sie nun Baumarten untersucht – und entsprach dies der kompletten GALK-Liste? Es gibt eine sehr umfängliche Datenbank, bladmineerders.nl, in der Forschungsergebnisse zu den herbivoren und parasitischen Arten, die von den einzelnen Pflanzenarten leben, zusammengestellt sind. Dort haben wir geschaut, welche Nutzerarten für die Baumarten aus den Empfehlungslisten genannt werden. Daten zu verschiedenen Baumsorten sind in der Datenbank nicht aufgeführt. Unsere Untersuchung bezieht sich deshalb nur auf Baumarten, nicht auf Sorten. Wir konnten so 126 Baumarten untersuchen. Es ist aber zu vermuten, dass Sorten nicht von mehr herbivoren und parasitischen Arten genutzt werden, denn Sorten haben ja immer eine geringere genetische Vielfalt als die Art und auch auf der genetischen Ebene erzeugt Vielfalt Vielfalt. Mit der GALK-Liste gab es eine Überschneidung von 48 Arten, was für unsere Korrelationsanalysen eine gut ausreichende Zahl war.
Tab. 4: Anzahl Phytophagen und Ursprungsvorkommen für Baumarten der Gattungen Quercus und Salix
Tab. 4: Anzahl Phytophagen und Ursprungsvorkommen für Baumarten der Gattungen Quercus und Salix © Aufderheide et al.
Eine Korrelation Ihrer Forschung gab es auch mit anderen wissenschaftlichen Forschungen, etwa von Turcek, der die Anzahl fruchtfressender Vögel an den Baumarten untersucht – ist das vergleichbar mit der populären Liste, die „Bienenbäume“ der LWG Veitshöchheim? Ist in dieser Listung ausreichend Biodiversität gesichert? Wir konnten keine Korrelation finden zwischen der Liste der Bienenbäume und unseren Befunden, wohl aber eine mit dem Schweizer Biodiversitätsindex und mit den Beobachtungen von Frantisek Turcek, der die Anzahl der Vogelarten untersucht hat, die die Früchte von verschiedenen Gehölzarten fressen. Das generalistische Nutztier Honigbiene ist also kein Indikator für die Förderung der biologischen Vielfalt – eigentlich ein erwartbares Ergebnis. Welche grundsätzlichen Ergebnisse haben Ihre Untersuchungen erbracht? Einheimische Arten haben generell klar die Nase vorn, wenn es um die Förderung der biologischen Vielfalt geht. Arten aus benachbarten Naturräumen liegen in ihren Werten zwischen den heimischen und denen aus fernen Ländern. Es ist aber auch so, dass es bestimmte Gattungen gibt, auf denen besonders viele herbivore und parasitische Arten leben, das sind vor allem Eichenarten und Weidenarten. Bei diesen Gattungen haben dann auch nichtheimische Arten relativ hohe Artenzahlen von herbivoren und parasitischen Arten. Was übrigens nicht bedeutet, dass nicht heimische Arten dieser Gattungen nicht invasiv werden können.
In der Liste der Zukunftsbäume (GALK & BdB) nicht erwähnte in Hinblick auf Klimafestigkeit und Biodiversitätsförderung aber vielversprechende Arten
In der Liste der Zukunftsbäume (GALK & BdB) nicht erwähnte in Hinblick auf Klimafestigkeit und Biodiversitätsförderung aber vielversprechende Arten © Aufderheide et al.
Viele der empfohlenen Zukunftsbäume sind nicht heimische Arten. Welche Gefahren drohen, sollten wir weiterhin an den nicht heimischen Arten festhalten? Gerade die Tatsache, dass es auf nicht heimischen Arten weniger Herbivore und parasitische Pilze gibt, führt zu einer besonderen Vitalität dieser Arten, die außerhalb ihres natürlichen Verbreitungsgebietes gepflanzt werden. Diese „Gesundheit“ – in Amerika werden sie tatsächlich als „pest-free“ vermarktet,   führt zum einen dazu, dass die biologische Vielfalt durch die nicht heimischen Arten weniger gefördert wird. Zum anderen besteht die Gefahr, dass ein Teil dieser Arten invasiv, also biodiversitätsschädigend, werden kann. Sie werden eben nicht von den Nahrungsnetzen in ihrer ökologischen Nische „im Zaum“ gehalten.
„Wir müssen wegkommen von der Verwendung einer einzigen Sorte auf einer großen Fläche. Sollte sich diese Sorte in der heißeren Welt von morgen nicht bewähren, brechen gleich ganze Alleen oder Parkteile weg.“ Aufderheide et al.
Wie lautet Ihr Fazit für die Praxis? Nach welchen Kriterien sollen die Planer nun Bäume auswählen, welche Arten sollen die Baumschulen produzieren? Grundsätzlich sollten einheimische Arten bevorzugt werden, um die biologische Vielfalt an jedem Ort bestmöglich zu fördern. Es gibt ja durchaus auch in der GALK-Liste heimische Arten, die auch für Standorte an Straßen empfohlen werden. Für alle Standorte außerhalb von Straßen gibt es aus Sicht der Förderung der biologischen Vielfalt keinen Grund, nicht heimische Bäume zu pflanzen. Wir haben aber auch etliche einheimische Arten gefunden, die von den verschiedenen Gremien, wie der GALK, kaum betrachtet werden und die auch nicht in Versuche einbezogen wurden. Die Flaumeiche als Leitart der trocken-heißen Standorte in Mitteleuropa ist da ein besonders eindrückliches Beispiel.
Die Flaumeiche (
<i>Quercus pubenscens</i>
) ist an trockenheiße Standorte angepasst und ein bislang übersehener einheimischer „Zukunftsbaum“.
Die Flaumeiche ( Quercus pubenscens ) ist an trockenheiße Standorte angepasst und ein bislang übersehener einheimischer „Zukunftsbaum“. © Karsten Mody
Wenn es denn Exoten sein müssen, dann sollten solche aus benachbarten Naturräumen und solche aus besonders biodiversitätsfördernden Gattungen bevorzugt werden. Und dann ist Vielfalt der Trumpf. Wir müssen wegkommen von der Verwendung einer einzigen Sorte auf einer großen Fläche. Sollte sich diese Sorte in der heißeren Welt von morgen nicht bewähren, brechen gleich ganze Alleen oder Parkteile weg. Wir sollten also Arten statt Sorten und immer so viele Arten wie möglich verwenden. Um die Baumgesundheit zu verbessern, sollten wir zudem dafür sorgen, dass die Bäume resiliente arteigene Wurzelsysteme entwickeln können, vor allem durch angemessene Baumstandorte; daneben ist eine Bevorzugung von kleinen Pflanzgrößen sowie eine Einbeziehung von Aussaat und Selbstaussaat auch im besiedelten Raum sinnvoll. Stadtplanung für Menschen ist Stadtplanung für Bäume. Außerdem sollen wir unbedingt das schützen, was jetzt schon da ist, vor allem große alte Bäume. Niemand weiß, ob die heute gepflanzten Bäume so groß und wertvoll für uns Menschen und die biologische Vielfalt werden können wie die Veteranen, die wir jetzt schon (oder noch) haben.
Auf dem Weg zum Neophyten? Starke Aussaat eines Amberbaums (
<i>Liquidambar styraciflua</i>
) in Mannheim.
Auf dem Weg zum Neophyten? Starke Aussaat eines Amberbaums ( Liquidambar styraciflua ) in Mannheim. © Friedhelm Strickler
Wie geht es weiter? Erstellen Sie eine Baumartenempfehlung auf Basis Ihrer Forschung oder suchen Sie nun den Austausch mit der GALK? Der Naturgarten e. V. hat zum Jahreswechsel eine ausführlichere Publikation zum Thema Bäume herausgegeben. Es ist auch so, dass wir zu Vorträgen zu unserer Publikation eingeladen werden. Wir halten es für notwendig, dass die Ergebnisse unserer und anderer Studien, die die wichtige Rolle der heimischen Pflanzen belegen, bei der Auswahl von Baumarten stärker als bisher berücksichtigt werden. Insofern sehen wir es auch kritisch, dass nun die Roteiche zum Baum des Jahres für das Jahr 2025 gewählt wurde. Wie und warum diese Art biodiversitätsschädigend sein kann, wird in unserem Artikel beschrieben.
Fazit für die Praxis
  • Die Förderung der Biodiversität im Rahmen der Auswahl von Klimabäumen kann als stark korreliert mit der geografischen Herkunft dieser Bäume erachtet werden.
  • Klimabaumlisten sollten auch hinsichtlich der Biodiversität vervollständigt werden.
  • Wo immer möglich einheimische Arten bevorzugen – auch im Straßenbegleitgrün. In Baumschulsortimenten sollten daher bisher unbeachtete Arten aufgenommen werden.
  • Sollen Exoten gepflanzt werden, dann möglichst aus benachbarten Naturräumen sowie Gattungen, die möglichst gute Voraussetzungen für eine Einbindung in Nahrungsnetze bieten, etwa Eichenarten. Das Pflanzen invasiver Neophyten unbedingt vermeiden.
  • Genetische Vielfalt macht resilient: Statt Ein-Art-Pflanzungen möglichst viele verschiedene Arten pflanzen. Dabei sind möglichst kleine Pflanzgrößen oder die Ansiedlung über Saat und wo möglich immer Arten und keine Sorten zu wählen.
  • Baumerhalt (auch von Exoten) geht vor Baumneupflanzung. Insbesondere alte und uralte Exemplare beherbergen oft Reste der früher in den umgebenden Lebensräumen vorkommenden Populationen.
  • Abgesehen von einer fachgerechten Baumpflanzung mit großen Baumgruben sollten immer Grünstreifen als Teillebensraum für Insekten mit angelegt werden.
Autoren der Studie

Die Teilnehmer der Forschungsgruppe sind allesamt im Naturgarten e. V. aktiv: Neben Ulrike Aufderheide sind es Christoph Peters, Diplom-Ingenieur für Raumplanung, PD Dr. Karsten Mody, wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Hochschule Geisenheim, sowie Heinke Marxen-Drewes, Diplom-Agrarwissenschaftlerin und Planerin.

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