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Biodiversität von Gebäudegrün

Zu klein zum Zählen, zu wichtig, um zu verschwinden

Kleinstlebewesen und Insekten gehören nicht zu den großen Sympathieträgern, sind aber elementar wichtig für den Kreislauf der Natur. Ihr Sterben geschieht eher am Rande unserer Aufmerksamkeit. Mit der Analyse von DNA InsectScan lassen sich die gefährdeten Populationen in der Gebäudebegrünung sichtbar machen.

von Katja Richter erschienen am 17.02.2025
Eine artenreiche Fassadenbegrünung kann den verlorenen Naturraum in der Stadt zu einem Teil ausgleichen und ersetzen. © Mobilane
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Früher, erzählt man sich, waren die Windschutzscheiben schon nach 100 km auf der Autobahn dicht verklebt mit toten Insekten. Heute reicht eine sporadische Wäsche der Frontscheibe für klare Sicht beim Autofahren. Ist doch ein Vorteil, könnte man meinen. Wäre da nicht die eigentliche Aufgabe der kleinen Flugorganismen, die die größte tierische Biomasse an Land bilden und trotzdem unterhalb unseres Radars leben. Denn Insekten bestäuben nicht nur Obst- und Gemüsepflanzen und verbreiten Samen, sie beseitigen auch viele Abfälle, vertilgen Schädlinge und ernähren andere Tiere, die unser Ökosystem, zu dem auch die Menschen gehören, am Laufen hält.

Studien belegen den Verlust von 70 % bis 80 % dieser Biomasse in den letzten drei Jahrzehnten in Europa. „Für jeden Schmetterling, den mein Kind heute sieht, konnte ich noch fünf sehen, als ich klein war. Das sollte uns wirklich Sorgen machen“, stellt Willem van Strien, Projektkoordinator von SGS Search, dem wissenschaftlichen Partner von DNA InsectScan aus dem Hause Mobilane, nachdrücklich fest.

Bestäubende Bienen gehören zu den Sympathieträgern, aber auch unscheinbare Insekten und Kleinstlebewesen sind existenziell für den Kreislauf unseres Ökosystems.
Bestäubende Bienen gehören zu den Sympathieträgern, aber auch unscheinbare Insekten und Kleinstlebewesen sind existenziell für den Kreislauf unseres Ökosystems. © Manfred Sodia photography / Mobilane

Das leise Sterben der über eine Million kleiner Arten sollte uns im eigenen Interesse in Alarm versetzen. Das Artensterben gefährdet unsere ökologische Sicherheit weit mehr als das Abholzen des Regenwaldes und der Verlust von Süßwasser. Monokulturen und der stetige Flächenfraß durch Neubauten und Straßen entziehen den Insekten ihre Lebensgrundlage.

Dabei ist es den Kleinlebewesen einerlei, ob ihr Zuhause horizontal oder vertikal ausgerichtet ist, sie regenerieren sich in einer artgerechten Umgebung schnell. Ein Umstand, den wir auch in der gebauten Umwelt nutzen können. Der Stadtraum bietet Insekten einen Lebensraum mit deutlich weniger tödlichen Pestiziden als auf landwirtschaftlich genutzten Flächen. Mit der richtigen Pflanzenauswahl lässt sich der verlorene Boden bei einer Baumaßnahme durch eine begrünte Fassade oder ein Gründach nahezu 1 : 1 ausgleichen, im Idealfall entsteht am Ende mehr Natur, als vorher vorhanden war.

Was bringt eine Fassadenbegrünung tatsächlich?

Mobilane, ein familiengeführtes Unternehmen aus dem niederländischen Bemmel bei Nijmegen und Mitinitiator von DNA InsectScan, bietet seit 2001 Begrünungssysteme an. Aus den pflanzfertigen Heckenelementen entstand schon bald eine bodengebundene Fassadenbegrünung. Nach einer Lärmschutzwand und der extensiven Dachbegrünung MobiRoof kam 2010 die LivePanelOutdoor dazu, die sich 2021 zu MobiPanels weiterentwickelte. Die fassadengebundenen Pflanzkassetten werden mit einem Klicksystem ziegelartig befestigt und per Tröpfchenbewässerung mit Wasser und Nahrung versorgt.

„Bei der Auswahl der Pflanzen ist uns besonders wichtig, möglichst viele einheimische Stauden und Gräser zu verwenden“, erklärt Kathrin Stein aus dem Mobilane-Vertrieb im gemeinsamen Videointerview. Frauenmantel, Storchschnabel und Nieswurz wirken sich positiv auf die Artenvielfalt am Einsatzort aus. Noch gehören Neophyten zur Pflanzliste, da es nicht ganz einfach ist, einheimische Wildstauden zu beziehen. Auch die Sehgewohnheiten seien oft noch an eine bestimmte Ästhetik gewöhnt und beurteilten Wildstauden als unattraktiv oder ungepflegt. Hilfreich sind da die vielen attraktiven Kräuter, die auch gute Insektenweiden darstellen.

Mehr Grün geht nicht: Insekten ist es egal, ob ihr Lebensraum vertikal oder horizontal angeordnet ist und etablieren sich schnell.
Mehr Grün geht nicht: Insekten ist es egal, ob ihr Lebensraum vertikal oder horizontal angeordnet ist und etablieren sich schnell. © Mobilane

Artenvielfalt messen

Wie positiv sich eine Gebäudebegrünung tatsächlich auf die vorhandene Fauna auswirkt, konnte man bislang nur nach Gefühl und Erfahrungswerten beantworten. Auch für Laien ist klar: Auf einer lebendigen Wandbegrünung finden sich mehr Insekten und sogar Kleinlebewesen oder Vögel, als auf einem asphaltierten Parkplatz. Aufgrund ihrer geringen Größe gehören Insekten jedoch zu den am schwierigsten zu entdeckenden und zu zählenden Tieren.

An dieser Stelle kommt die SGS Search ins Spiel. Gemeinsam mit dem internationalen Player im Bereich Prüfen – Testen – Verifizieren entwickelte Mobilane die Idee für einen DNA InsectScan, um Insektenpopulationen auf Fassaden- und Dachbegrünungen nachzuweisen. Lebewesen hinterlassen eine breite Spur an genetischer DNS (Desoxyribonukleinsäure, englisch DNA), beispielsweise aus Haut, Haaren, Körpersekreten oder Fäkalien, in ihrer Umgebung. Diese Umwelt-DNS (im Englischen E-DNA für Environmental) findet man überall im Boden, Wasser und auch auf Pflanzenteilen.

Für die Bestimmung der Artenvielfalt im Gebäudegrün nehmen Mobilane-Autorisierte an verschiedenen Stellen des Pflanzenteppichs mehrere Proben, die gemeinsam im Labor mithilfe molekularer Techniken analysiert werden. Die Genauigkeit der Tests ist über die auf der ganzen Fläche verteilten Probenentnahmen hoch, nur ein sehr geringer Prozentsatz an DNS stammt von nicht auf der Begrünung lebenden Tieren wie Hunde oder Tauben. „Die Pflanzwände hängen meist sehr hoch und wir greifen außerdem auf eine sehr große Datenbank zurück“, erklärt Stein. Im Vergleich zum herkömmlichen Monitoring der Artenvielfalt zeichnet sich der DNA InsectScan durch eine einfache Probenahme, eine kurze Bearbeitungszeit von etwa sechs Wochen und eine hohe Genauigkeit bei der Identifizierung der verschiedenen Insektenarten aus.

An mehreren Stellen der Grünwand werden Proben genommen und im Labor auf die vorhandene DNS analysiert.
An mehreren Stellen der Grünwand werden Proben genommen und im Labor auf die vorhandene DNS analysiert. © Mobilane

Nachweis per DNA InsectScan

Besonders interessant und aussagekräftig sind die Daten, vergleicht man den neuen Bestand mit den Werten vor der Baumaßnahme. „Nach zwei oder drei Proben kann man schon eine klare Entwicklung sehen“, sagt Katharina Stein. Dazu nimmt man schon vor Baubeginn oder bevor die Wandbegrünung angebracht ist, Proben am Standort. Eine Brache, eine Wiese oder auch ein Straßenbaum in der Nähe gibt als Referenz Auskunft über das Vorkommen von Insektenarten. Die nächste Messung sollte in regelmäßigen Abständen oder zumindest nach dem Ablauf des ersten Entwicklungszyklus analysiert werden.

„Unsere Erfahrung hat gezeigt, dass die Artenvielfalt an der vertikalen Wand jedes Mal höher ist, im Vergleich zur Ausgangslage“, berichtet Claire Heufkens aus der Mobilane Unternehmenskommunikation von den Erfolgen. So ließen sich in der Fassadenbegrünung eines zweistöckigen Bürogebäudes bei Utrecht stellenweise drei- bis viermal so viele Insektenarten nachweisen, wie auf der benachbarten Referenzwiese. Die Erklärung findet sie in der guten Wasserversorgung der Pflanzwände im Gegensatz zu einer Stadtgrünfläche, die im Sommer unter starker Trockenheit leidet. Zudem sei die Auswahl an Pflanzen an der Wand in der Regel deutlich vielfältiger und bieten mehr Insektenarten Nahrung und Unterkunft als in einem gut gepflegten Rasen oder einer monotonen Heckenpflanzung.

Der Abschlussbericht enthält eine differenzierte Auswertung der gefundenen Arten („Taxaliste“) mit Kennzahlen, Statistiken zur Verbesserung der Vielfalt und einer visuellen Artenübersicht. Damit lässt sich beim Abfassen eines Nachhaltigkeitsberichts nachweisen, wie ein Unternehmen beim Thema Umwelt die Kennzahlen der EU-Taxonomie erfüllt (mehr Infos dazu in Ausgabe 1/24 FREIRAUM GESTALTEN). Nachhaltigkeits- oder auch ESG-Berichte nach der EU-Richtlinie zur CSR-Verordnung sind seit Januar 2024 auch für große Unternehmen mit mindestens 250 Beschäftigten verpflichtend. Ab 2025 gilt die Pflicht dann für große Unternehmen auch ohne Kapitalmarktorientierung und ab 2026 für kleine und mittelgroße Unternehmen mit mindestens 10 Beschäftigten.

Aber nicht nur der Gesetzgeber fordert zunehmend von Unternehmen Informationen über nachhaltiges Verhalten. Immer mehr Investoren und Kunden interessieren sich dafür, wie sich die Geschäftstätigkeit eines Unternehmen auf Umwelt und Gesellschaft auswirkt. Auf dem Kapitalmarkt sind diese Daten inzwischen gefragt, wenn es um Kredite im Sinne einer nachhaltigen Investition oder Baumaßnahme geht. „Beim Punkt Energiebilanz fließen die besseren Dämmwerte einer Fassadenbegrünung bereits mit in den ESG-Bericht ein. Mit DNA InsectScan kommt nun noch der ökologische Aspekt positiv dazu“, erklärt Kathrin Stein das große Potenzial.

Der DNA InsectScan für grüne Fassaden kann zudem zu Nachhaltigkeitszertifizierungen wie der BREEAM-Zertifizierung (Bewertungssystem für die Nachhaltigkeit von Gebäuden) beitragen. „Natürlich ist es auch ein Statement für Firmen, wenn sie sich nachweisbar für eine bessere Luftqualität, mehr Verdunstung und mehr Artenvielfalt in ihrer direkten Umgebung einsetzen.“ Auf jeden Fall ein Schritt in die richtige Richtung, nachdem über Grün immer gerne gesprochen wird, es aber oft an konkreten Verbesserungen fehlt. Um die Messmethode zu etablieren, eignen sich wie so oft die Ausschreibungen. „Generell ist es immer sinnvoll, den Scan direkt in die Ausschreibung mit aufzunehmen und damit festzulegen. Dann ist auch gesichert, dass es später gemacht wird.“

Die Nachfrage nach dem neuen Faktencheck nimmt laut den Interviewpartnerinnen Heufkens und Stein immer mehr zu. „Es dauert natürlich, bis ein Bericht fertiggestellt ist, da man über längere Perioden Proben entnimmt. Aber wir sind überzeugt, dass wir damit einen wertvollen Beitrag zu einer grünen Zukunft leisten können.“

Kontakt
©

info@mobilane.de, https://mobilane.com/de/

Autor:in
Katja Richter
ist seit 1998 Landschaftsarchitektin und verbindet die Leidenschaft zum Beruf mit der Liebe zum Schreiben. Nach einer Zusatzausbildung zur Fachjournalistin veröffentlicht sie Fachbeiträge über Grün im Freiraum. Kontakt: richter@gruen-werk.com
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