„Wir müssen endlich ins Testen kommen!“
Planen für die Zukunft - wie junge Büros mit den sich verändernden Parametern im Klimawandel umgehen: freisign aus Freiburg bietet mit „Klimapiloten” Straßenquerschnitte zum Testen an.
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„Strategien und Konzepte gibt es inzwischen genug. Aber die Klimaanpassung ist Neuland und wir müssen endlich ins Testen kommen.“ freisign
Mitten in der Straßenkurve einer badischen Kleinstadt wächst ein Wäldchen aus frisch gepflanzten Bäumen in einem bunten Blumenbeet. „Die Autofahrer beschweren sich, wir finden es ganz wunderbar und würden gerne weiter machen“, verkündet die Bildunterschrift auf der Webseite von freisign aus Freiburg. Ane Nieschling und Timo Christmann, das Inhaberduo des Landschaftsarchitekturbüros, erzählen belustigt, wie es zu dem Verkehrshindernis in Schopfheim kam: „Die Kommune wollte schon länger Fördermittel für eine innerstädtische Umbaumaßnahme beantragen, dafür brauchte es aber bestimmte Verkehrszahlen.“
Den Autoverkehr vergrämen
Um das PKW-Aufkommen auf die erforderliche Größe zu verkleinern, griffen die Planer auf eine Art „Vergrämung des Autoverkehrs“ zurück. Auf der überdimensionierten Kreuzung ließen sie unter anderem den Asphalt aufschneiden und Bäume pflanzen – zum Ärger der ortsansässigen Autofahrer, die es gewohnt waren, hier zügig durchzurauschen. Die neue Grünfläche und die großen Möblierungselemente bremsen die Geschwindigkeit und macht so die Straße für motorisierte Nutzer weniger beliebt. Die Anlage gilt als temporäre Maßnahme und ist auf zehn Jahre beschränkt. Damit umgeht sie die geltende Straßenverkehrsordnung, die nach wie vor als oberste Prämisse das ungehinderte Fließen des motorisierten Verkehrs nennt. „Bis 2034 wird sich die Mobilität sowieso verändert haben“, ist sich Landschaftsarchitekt Christmann sicher. Und die grüne Insel wird bis dahin die Ökosystemleistung am Ort um einiges verbessert haben.
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Konzept Klimapiloten
Als es Anfang 2023 zum ersten Mal zu einer Flaute in der Auftragslage kam, war endlich Zeit, eine schon länger schlummernde Idee umzusetzen. „Strategien und Konzepte gibt es inzwischen genug. Aber die Klimaanpassung ist Neuland und wir müssen endlich ins Testen kommen.“ Die „Klimapiloten“ war geboren: Für zwei in Freiburg typische Straßenquerschnitte entwickelte das Büro auf eigene Rechnung begrünte Freiräume mit mehr Bäumen und Grünflächen, veränderter Mobilität und besserer Aufenthaltsqualität. „Mir haben die Klimapiloten mega Spaß gemacht“, sagt Nieschling, „da durften wir mal wieder so richtig träumen und waren frei.“ Im Gegensatz zur Berufsrealität, die sie als zunehmenden Kampf gegen Vorgaben und Verhinderer beschreibt.
Die plakativen Pläne mit Grundrissen, Visualisierung, Flächenberechnung und animierenden Infotexten verteilten sie in der Stadtverwaltung: über 100 Exemplare gingen in die Stadtplanung, Gebäudemanagement, an die Bürgermeister und Klimabeauftragten. Die Mitarbeitenden im Garten- und Tiefbauamt, die viel mit freisign zusammenarbeiten, bekam die Pläne persönlich überbracht. Die Rückmeldung war enttäuschend: „Nicht eine relevante Reaktion darauf, dass da welche Gedanken und Zeit investiert haben, um die Stadt auf dem Weg zur Transformation voranzubringen.“
Die Klimapiloten, die als Testlabor gedacht sind, finden trotzdem ihren Weg in die Öffentlichkeit: Ein Lehrer holte sich Exemplare für den Unterricht und eine bürgerschaftliche Stadtteilinitiative nutzt die Visualisierungen, um auf die Qualitäten der begrünten Schwammstadt Lust zu machen. Bei einer ihrer Infoveranstaltung bekommen die Landschaftsarchitekten Gelegenheit ihr Ideen vor Publikum vorzustellen. Die comicartige Plangrafik macht es Laien leicht, sich auf die Themen Klimaanpassung und veränderten Stadtstrukturen einzulassen.
Ressourcen sparen bei jedem Projekt
Um im größeren Maßstab klimafit zu werden, schlägt Christmann vor: „Jedes Amt müsste mal von seinem Standpunkt runter, das große Ganze ins Visier nehmen, und sich auf einen Kompromiss einlassen. Überspitzt kann man sagen: Der Tiefbauer will alles asphaltieren, der Bauhof will keine Bäume über den Leitungen und die Gleichstellungsbeauftragte ist gegen Schotter.“ Zu vieles sei schon am Ende im Sande verlaufen, weil es zu keiner Einigung kommt. „Wir brauchen eigentlich keine Projektsteuerer mehr, sondern Mediatoren“, ergänzt Nieschling spöttelnd.
In der Realität versucht der Vollblut-Bauleiter bei allen Projekten noch während der Ausführungsphase ökologische Verbesserungsvorschläge anzubringen: „Das ist mein größter persönlicher Anreiz und wo ich im Baulichen am meisten zu mehr Klimaschutz beitrage.“ Es brauche nicht immer die ausführlichste Lösung. Wenn die möglichen Probleme gut kommuniziert würden, wären Auftraggebende immer wieder bereit zu einer umweltfreundlicheren, schmaleren Variante (...)
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