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Regenwasserrückhaltung in der Fläche

Checkliste: So lässt sich die Schwammlandschaft realisieren

Stark- und Dauerregenereignisse werden durch den Klimawandel häufiger. Das führt besonders an den Unterläufen der Flüsse immer öfter zu schadensträchtigen Überflutungskatastrophen. Aber mittlerweile sind bei Extremwetterlagen auch bereits an den Oberläufen Überschwemmungen zu beobachten. Diese werden sich nicht vollständig verhindern lassen. Um aber die Schäden zu begrenzen, müssen alle Kommunen solidarisch reagieren und ihren Teil zum präventiven Hochwasserschutz beitragen. Auch Land- und Forstwirtschaft müssen ihren Beitrag leisten. Möglichst viel Wasser muss möglichst lange in der Fläche gehalten, versickert, verdunstet oder zeitverzögert abgeleitet werden.

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Überschwemmungen am Unterlauf beginnen an der Quelle, wie hier, wo mangels Pufferfläche das Wasser vom Acker direkt in den Bach läuft - inklusive des gelösten Bodens.
Überschwemmungen am Unterlauf beginnen an der Quelle, wie hier, wo mangels Pufferfläche das Wasser vom Acker direkt in den Bach läuft - inklusive des gelösten Bodens.Tjards Wendebourg
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Grundsätzliche Maßnahmen

> Weg von der Philosophie „ableiten um jeden Preis“: In der Vergangenheit bestand die Priorität darin, dass Wasser von der Fläche zu bekommen. Doch mit gleichzeitig zunehmenden Starkniederschlägen sowie Dürreperioden besteht die Aufgabe darin, das Wasser auf der Fläche zu managen.

> Klare Planung für die Maßnahmenkoordination zwischen den Akteuren wie Behörden, Wasserwirtschaft, Landwirtschaft und Naturschutz (Aufstellen von Stakeholder-Listen/-Datenbanken): Zahlreiche Akteure verfolgen zum Teil gegensätzliche Ziele beim Management des Wassers. Hier gilt es Prioritäten zu setzen und alle Akteure zusammenzubringen.

> Renaturierung der Gewässer (mehr Raum für Bäche und Flüsse, Reaktivierung von Mäanderstrukturen): Je mehr Raum besonders die Fließgewässer bekommen, desto größer ist ihre Pufferwirkung. Naturnahe Gewässer und Ufer sind ein guter Hochwasserschutz.

> Renaturierung von Feuchtgebieten und Auwäldern: Früher wurden viele Fließgewässer von Feuchtlebensräumen (z.B. Niedermoore, Riede) begleitet, die eine ungeheure Pufferwirkung hatten. Durch Abtrennung der Auen und Urbarmachung der Feuchtgebiete ist dieser Puffer verlorengegangen.

> Abschaffung aller Subventionen, die die Entwässerung der Landschaft anheizen: Alle Subventionen, die dem Halten des Wassers in der Fläche entgegenwirken, müssen auf dieses Ziel hin zumindest nachgebessert werden.

> Förderung und Subvention aller Maßnahmen, die Wasser in der Landschaft halten: Gerade entlang der Gewässer muss die Förderkulisse auf das Halten des Wassers in der Fläche ausgelegt werden. Das gilt besonders für Kulturtechniken, die auf Feuchtlebensräume abgestimmt sind.

> Maßnahmenplanung zur rechtzeitigen Vorbereitung der Fläche auf größere Niederschlagsereignisse (z.B. kurzfristiges Ablassen von Wasser aus Stauhaltungen, Leerpumpen von Zisternen etc. um Stauraum zu schaffen).

 

Was Gemeinden tun können

> Kartierung aller Flächen, auf denen es im Fall von Extremwetterereignissen zu Abläufen und Bodenabtrag kommen kann (Beispiel Bayern: Hinweiskarte Oberflächenabfluss und Sturzflut). Umsetzung der Aufnahmen in Maßnahmenpläne.

> Kartierung aller Fläche, die als potenzielle Retentionsräume in Frage kommen: Alle Fläche, die für das Halten des Wassers in der Fläche geeignet sind, gehören in ein eigentümerunabhängiges Kataster, das als Diskussionsgrundlage für Maßnahmen und Verhandlungen mit Eigentümern und Anliegern dienen kann.

> Privilegierung von Versickerung gegenüber der Einleitung ins Abwassernetz (Niederschlagswassersatzung): Die gesplittete Abwassersatzung bevorteilt die alternative Nutzung des anfallenden Wassers gegenüber der bloßen Ableitung über Kanalisation und Kläranlagen. Hier gilt es auch die Infrastruktur daraufhin umzuplanen, dass weniger Wasser für das Spülen der Netze benötigt wird.

> Wassersensible Planung und Vorgabenbelegung aller neuen Bau- und Gewerbegebiete: Jede neue für Bebauung und Infrastruktur vorgesehene Fläche sollte so geplant werden, das möglichst wenig Niederschlagswasser von der Fläche in den Kanal gelangt und möglichst viel genutzt werden kann. Entsprechende Vorgaben sind bereits von Seiten der Kommune zu hinterlegen.

> Wassersensible Planung der öffentlichen Freiflächen (Parks, Stadtplätze, Straßenräume, Parkplätze etc. = Schwammstadtkonzept): Bei Neu- oder Umgestaltungen sollten auch öffentlich Freiflächen mit dem Wasser geplant werden. In Überschwemmungsbereichen sollten sie temporär als Retentionsräume funktionieren können.

> Minimierung weiterer Flächenversiegelung: Je weniger Fläche neu versiegelt wird, desto mehr steht für die Versickerung zur Verfügung. Jede Neubebauung sollte daraufhin bewertet werden. Bei jeder Straßen-, Park- oder Wegefläche ist zu überlegen, wie stark der Grad der Versiegelung wirklich ausgeführt werden muss.

> Ausgabe von Gestaltungsfibeln zur wassersensiblen Grundstückgestaltung (z.B. unversiegelte Infrastrukturflächen, Gartenteiche mit Retentionsbereichen, Muldenstrukturen): Bevor kommunale Auflagen wassersensible Gestaltung zur Pflicht machen, helfen Kommunikationsmittel, für entsprechende Gestaltung zu sensibilisieren. Mit zusätzlichern Auflagen lässt sich die Effizenz steigern.

> Förderung von Dachbegrünung: Dachbegrünung verringert nicht nur die Aufheizung und bietet besondere Lebensräume. Das Gründach speichert auch Wasser zwischen. Entsprechende Drosseleinrichtungen vergrößern die Wirkung. Förderungen solcher Techniken als Anreiz sind wünschenswert.

> Förderung von Flächenentsiegelung, Versickerung, Wasserspeicherung und Privilegierung gering versiegelter Infrastrukturflächen: Durch finanzielle Anreize (oder Besteuerung von versiegelten Flächen) können Grundstückseigentümer dazu angeregt werden, wassersensibler zu gestalten.

> Renaturierung von Gewässern 3. Ordnung und Schaffung von Überflutungsflächen/Retentionsräumen: Gerade bei den kleineren Gewässern gibt es zahlreiche Maßnahmen der Renaturierung. Hierfür stehen den Kommunen auch allerlei Fördertöpfe zur Verfügung. Solche Maßnahmen verbessern nicht nur die Wasserrückhaltung, sondern sind gleichzeitig biodiversitätsfördernd und verbessern zudem oft die Aufenthaltsqualität. Gleichzeitig sollten grobe Unterhaltungskonzepte mit schwerem Gerät und einhergehendem Verlust der Gewässerqualität unterbleiben.

> Vorbildfunktion auf den eigenen Flächen: Kommunen - und andere öffentliche Körperschaften - sollten in ihrer Funktion als Vorbilder und Schrittmachen auf den eigenen Flächen mit gutem Beispiel vorangehen und die zuvor beschrieben Maßnahmen umsetzen.

> Unterstützung aller Maßnahmen Dritter (Kommunikation, finanzielle Förderung, Fördermittelmanagement, Unterstützung der Umsetzung): Selbst wenn die Kommune selbst nicht aktiv werden kann/will, kann sie engagierten Akteuren helfen, wassersensibel zu gestalten und damit auch Vorbild sein.

> Kommunikationsmaßnahmen zur Bewusstseinsbildung innerhalb der Bürgerschaft: Viele Maßnahme stehen und fallen mit der Kommunikation. Gute Kommunikation, die alle mitnimmt, schlüssig erklärt und Sinnhaftigkeit vermittelt, erleichtert es, nöglichst viele mitzunehmen und möglichst viel für die Schwammlandschaft zu erreichen.

 

Was Land- und Forstwirtschaft tun können

> Mehr Bodenbedeckung (z.B. durch Mulchdirektsaatverfahren, Zwischenfrüchte oder mehrjährige Kulturen wie Kleegras oder durchwachsene Silphie): Je dichter ein Boden mit Vegetation bedeckt ist, desto besser ist er geschützt und desto mehr Wasser kann er aufnehmen.

> Besonders sensible Wahl der Kulturen in geneigten Flächen  (z. B. Grünlandbewirtschaftung): Auf abschüssigen Agrarflächen kann es nicht nur zu besonders starkem Niederschlagswasserabfluss kommen - hier ist auch die Gefahr der Bodenerosion am größten. Der hier abgetragene Boden wird später in Verbindung mit Heizöl und Abwasser in Überflutungsgebieten zu dem gefürchteten Giftschlamm. Die Wahl entsprechender Kulturen kann helfen, Wasserabfluss und Erosion zu verringern.

> Anlage von Agroforst-Kulturen: Gehölze sind wir die Wasserhaltung nicht nur besser, weil ihre Wurzeln tiefer reichen und so den Wasserabfluss nach unten fördern. Sie puffern zusätzliche ein Menge Niederschlag über Blätter und Zweige, der später verdunstet oder zeitverzögert zu Boden fällt. Agroforstflächen und andere Dauerkulturen fördern die Wasserhaltung auf der Fläche.

> Etablierung von begrünten Abflussmulden und Pufferflächen in und zwischen den Feldern: Auf die Agrarlandschaft verteilte Mulden und Grünlandflächen können Wasser zurückhalten, was dort versickert oder verdunstet. Auch das schafft zusätzlich (temporäre) Feuchtbiotope und fördert die Biodiversität.

> Erhalt und Schaffung von Graben- und Teichstrukturen – als Retentions- und nicht als Ableitungssysteme: Auch Stillgewässer mit veränderbarem Wasserstand und Grabenstrukturen können größere Mengen von Wasser in der Fläche halten. Zudem erhöhen sie die Lebensraumqualität und Fördern damit die Artenvielfalt.

> Erhalt und Pflanzung von Heckenstrukturen: Heckenstrukturen sind nicht nur wertvolle lineare Lebensräume, die Biotope miteinander vernetzen. Sie helfen auch den Wasserabfluss zu reduzieren - etwa in Verbindung mit Gräben - und die Erosion durch Wind oder Wasser herabzusetzen.

> Erhalt von Ackerrändern und bepflanzten Böschungen: Böschungen helfen, den Boden zu terrassieren und damit den Wasserabfluss zu verringern. Sind sie mit dichter Vegetation versehen, haben sie Biotopcharaker und Schwammfunktion. Ackerränder wiederum halten den Wasserabfluss auf und können den Niederschlag zwischen Rand und Furche zwischenspeichern. Das Umpflücken der Ackerraine ist also nicht nur schlecht für die Biodiversität, sondern schadet auch der Fähigkeit, Wasser auf der Fläche zu halten.

> Hangparallele Bodenbearbeitung/Kontourpflügen (vergleiche dazu: https://abag.lfl.bayern.de/): Es gehört zu den ältesten Erkenntnissen der Landwirtschaft, dass hangparalleles Arbeiten den Wasserabfluss ebenso verringert wie die Bodenerosion. Trotzdem sieht immer wieder Flächen, auf denen das Wasser in Sturzbächen die Furchen hinabläuft. Diese Art der Feldbearbeitung fördert den Wasseranfall und steigert die Schlammfracht des ablaufenden Niederschlags.

> Erhöhung des Humusgehaltes im Boden: Je mehr Humusgehalt ein Boden hat und desto lockerer das Bodengefüge ist, desto besser ist die Wasserhaltefähigkeit. Die Steigerung des Humusgehaltes erhöht also nicht nur die Fruchbarkeit des Ackers, sondern macht den Boden auch aufnahmefähiger für Niederschläge.

> Reduktion von Verdichtung: Je größer die Poren im Boden, desto größer ist seine Drainfähigkeit, je stärker er oberflächlich verdichtet wird, desto weniger Wasser kann eindringen und desto mehr Niederschläge fließen direkt ab. Bodenbearbeitung, die mit möglicht geringer Verdichtung einhergeht, sichert die Wasserhalte- und Drainfähigkeit einer Fläche.

> Paludikultur statt Entwässerung, Reduktion der Drainage: Feuchtgebiete wurden schon historisch anders genutzt. Paludikultur ermöglicht eine schonende Nutzung undrainierter Flächen. Entsprechende Förderungen helfen, Nutzungsnachteile zu kompensieren.

> Wiedereinführung von Wasserwiesen/Wasserwäldern: Auch diese alten Kulturtechniken helfen, landwirtschaftliche Flächen in Überflutungsbereichen schonend zu bewirtschaften und die Retentionskapazität zu erhalten.

> Sammeln von Niederschlagswasser/Dränageablauf in Becken zur späteren Nutzung zur Bewässerung: Die Landwirtschaft gehört zu den beteutendsten Wasserverbrauchern der Republik. Überall dort, wo ausreichend Fläche zur Verfügung steht - besonders bei kleinflächigeren Sonderkulturen - kann Regenwasserspeicherung gleichzeit Niederschlagsrückhaltung und Schutz der Bodenwasservorräte bedeuten.

> Reduktion von Entwässerungs- und Drainagemaßnahmen: Grundsätzlich sollten Entwässerungs- und Drainagemaßnahmen so weit es die Bewirtschaftung zulässt, zurückgefahren werden. Kürzere Nutzungszeiträume sollten gegenfalls durch Förderungen oder Wechsel der Kulturen kompensiert werden.

> Schulungsmaßnahmen für Land- und ForstwirtInnen anbieten: Grundsätzlich öffnet erst der Abbau von Vorurteilen, die Information über Fördermöglichkeiten und das Aufzeigen von Perspektiven die Agrarwende im Hinblick auf die Wasserrückhaltung in der Fläche. Gezielte und kostenlose Angebote helfen, neue Techniken zu etablieren.

 

Quellen:

> Bausteine des naturnahen Umgangs mit Niederschlagswasser (LfU Bayern)

> Hinweiskarte Oberflächenabfluss und Sturzflut (LfU Bayern)

> Wasserrückhalt in der Fläche (Umweltministerium Baden-Württemberg)

> Maßnahmen der Wasserretention (Netzwerk WasserAgri)

> Wasserrückhalt über Wässerwiesen (NuL)

> ABAG interaktiv: Ermittlung des Bodenabtrags (LfL Bayern)

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