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Interview mit Katja Richter

Wie gestalten wir die Transformation?

Wie planen wir klimaresiliente Städte? Mit dieser Frage hat sich unsere Autorin Katja Richter intensiv auseinandergesetzt und das gesammelte Wissen in einem Fachbuch veröffentlicht, das kürzlich im Verlag Eugen Ulmer erschienen ist.

von Heike Vossen erschienen am 29.09.2025
Klimaresiliente Städte planen – Katja Richter hat hierfür ein gut strukturiertes Handbuch verfasst. © Bryum.org
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Zur Person
Katja Richter
Ausgebildet in Landschaftsarchitektur und Journalismus schreibt sie Fachbücher und für Magazine, darunter FREIRAUM GESTALTEN.
• Katja, du hast viele Jahre als Landschaftsarchitektin gearbeitet und dort viel Praxiswissen angesammelt. Die Themen sind aber nicht mehr dieselben wie vor zehn Jahren. Was hat sich geändert? Die Themen haben sich gar nicht so sehr geändert. Die ersten begrünten Gebäude sind über 30 Jahre alt, das Weißbuch Stadtgrün ist 2017 erschienen, wie gut ein Spaziergang im Park tut, wissen eigentlich alle. Was sich sehr verändert hat, ist die Aufmerksamkeit. Die grüne Branche wird auf einmal gehört. Das hängt natürlich mit dem Klimawandel zusammen und mit den Anpassungsmaßnahmen, die es jetzt braucht. Da bekommen die „natur based solutions“, also die Lösungen, die die Natur bietet, auf einmal einen ganz neuen Stellenwert. Und wie man mit Natur und Technik Freiräume gestaltet, ist die DNA der Landschaftsarchitektur! Sie ist auf einmal zur „Superaktie“ geworden, wie es ein Kollege mal so schön gesagt hat. • An wen richtet sich dein Werk? Wie lässt sich das gesammelte Wissen zum Beispiel für eigene Freiraumprojekte nutzen? Die Klimaanpassung ist für die Kommunen eine Jahrhundertaufgabe – ganz besonders im Bestand –, die sie zusätzlich zum laufenden Geschäft erledigen sollen. Auf alle Planenden kommt viel Neues zu. Es passiert gerade sehr viel, was an neuen Lösungen entsteht und Produkte, die auf den Markt kommt. Alleine das dezentrale Regenwassermanagement der Schwammstadt ist ein Bildersturm, da geraten viele Dogmen ins Wanken. Im Büroalltag aus den eingeübten Planungsroutinen herauszukommen ist nicht so einfach.
„Die EU-Taxonomie hat das Zeug, die Baubranche zu verändern, weil damit Grün und Nachhaltigkeit einen ökonomischen Wert bekommen.“ Katja Richter
Selbst wer super motiviert und aktuell ist, scheitert spätestens beim Auftraggeber, der noch nicht so weit ist. Da sind die Kommunen oft ein „harter Knochen“: Strukturbedingt ist es hier schwer, Neues durchzusetzen. Die Sorge, etwas falsch zu machen und sich hinterher dafür verantworten zu müssen, ist hier besonders hoch. Referenzprojekte aus anderen Behörden sind darum von besonders großem Wert. Sie unterstützen alle, die gerne etwas voranbringen wollen. Daher habe ich mich bei den Beispielprojekten bewusst auf den deutschsprachigen Raum beschränkt. Was in Bad Saulgau geht, kann man auch in Hamburg versuchen. Auch aus Österreich und der Schweiz kommen viele tolle Beispiele. Ich hatte beim Schreiben das Bild im Kopf, wie jede Landschaftsarchitektin, jeder Stadtplaner mit meinem Buch unter dem Arm gut gerüstet in die nächste Bausitzung zieht und bei jedem Gegenargument die passende Seite aufschlagen kann: Aber hier geht es und dort und da auch! • In deinem Buch vertiefst du verschiedene Planungsebenen und -bereiche und zeigst Beispiele: Was hat dich bei deiner Recherche dazu am stärksten beeindruckt oder begeistert und warum? Was wir für die zügige Klimaanpassung brauchen, sind die einfachen Lösungen, die sich leicht skalieren lassen. Die sogenannten Leuchtturmprojekte, die mit Wäldern auf Hochhäusern durch die Medien gehen, produzieren bei der Bevölkerung falsche Erwartungen und sind nicht in der Fläche umsetzbar. Mal ganz abgesehen von ihrem CO2-Fußabdruck. Dabei geht es auch einfach: Ein Landschaftsgärtner in meiner Stadt hat ein Fertigbauteil entwickelt, das den anstehenden Mutterboden aus der Baugrube mit einem Gitterrost an die Fassade bringt. Innerhalb weniger Wochen entwickelte sich eine irre Wildblumenwiese mit Fauna, im Pilotprojekt sind oben sogar Turmfalken eingezogen. Bewässert wird wie jede Fassadenbegrünung per gesteuerter Tröpfchenbewässerung, selbst im sonnigen Südbaden reicht dafür das Dachwasser aus der Zisterne. Ein Pflegeschnitt mit Hubsteiger im Jahr genügt. Damit ließen sich die überproportional heißen Industriegebiete ruckzuck begrünen und kühlen. Genial finde ich auch die Grünen Gullys aus Berlin. Um den Straßenablauf wird der Asphalt aufgeschnitten, Humus mit Schotter eingebaut und robust bepflanzt. Das Regenwasser kann jetzt vor Ort versickern, der Überlauf führt in den Kanal. Die Grünen Gullys lassen sich gut in die laufenden Sanierungsarbeiten integrieren und kosten wenig.
Mit den „Grünen Gullys“ hat Berlin eine einfache und kostengünstige Lösung für das Versickern von Regenwasser entwickelt.
Mit den „Grünen Gullys“ hat Berlin eine einfache und kostengünstige Lösung für das Versickern von Regenwasser entwickelt. © Bezirksamt Berlin Mitte
• „Klimadiplomatie“ lautet dein letztes Kapitel – hier zeigt sich, dass die Gesetze zwar da sind, aber viele der aktuellen Entscheider einiges ausbremsen. Allerdings gibt es ein paar zentrale Hebel, um voranzukommen – welche sind das? Die EU-Taxonomie hat das Zeug, die Baubranche zu verändern, weil damit Grün und Nachhaltigkeit einen ökonomischen Wert bekommen. Der zentrale Hebel ist schon jetzt eine Person in verantwortlicher Position, die bereit ist, auch gegen Widerstände ihre Vision durchzusetzen. Das beste Beispiel ist die Bürgermeisterin Anne Hidalgo in Paris, da staunen doch alle. Aber auch in Deutschland habe ich viele Menschen kennengelernt, die einfach machen und es geht. • Die Beispielprojekte zeigen – Lösungen sind nicht eins zu eins adaptierbar, aber man kann daraus lernen. Was oft fehlt, ist ein Anfang. Wie schaffen wir es, ins Handeln zu kommen? Der Klimawandel ist komplex, für die Bewältigung müssen viele Fachrichtungen zusammenarbeiten, das ist für manche ungewohnt. Es fängt an beim unterschiedlichen Mindset, spezifischer Sprache und Denkweisen. Für den Verkehrsplaner ist ein Baum ein Hindernis, für das Grünflächenamt ein Pflegeaufwand, die Umweltplaner sehen ein schützenswertes Biotop und für die Wasserwirtschaft ist das Baumquartier eine hervorragende Möglichkeit, ihr Wasser unterzubringen. Das A und O ist es, die verschiedenen Stakeholder zusammenzubringen. Dafür gibt es schon erprobte Formate, die ich in meinem Buch vorstelle. Sobald sich die Menschen kennenlernen, gleichberechtigt miteinander reden und Vertrauen aufbauen, sinken die Schranken. Mit Verbündeten lassen sich Hindernisse am besten überwinden und gemeinsam finden sich immer Lösungen.
Buchtipp
Katja Richter: Klimaresiliente Städte planen, 44 €, Verlag Eugen Ulmer, 2025
Katja Richter: Klimaresiliente Städte planen, 44 €, Verlag Eugen Ulmer, 2025 © Verlag Eugen Ulmer
Klimaresiliente Städte planen

Klimaresiliente Städte planen

Wassersensible Siedlungsentwicklung, Schwammstadt, Stadtökologie, Blau-grüne Infrastruktur, Klimaangepasste Stadtentwicklung
Katja Richter / 44,00 EUR
zum Buch
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