Eine Wandelhalle in Grün
Einblicke in ein Langzeitprojekt: Seit 20 Jahren wachsen am MFO-Park im Zürcher Stadtteil Oerlikon über 1.000 Kletterpflanzen an Seilen und Stäben in die Höhe und bilden ein grünes „Park-Haus“. Die Pflege ist herausfordernd.
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„Im Trog ist alles limitiert.“ Markus Fierz, Landschaftsarchitekt
„Mir liegt der MFO-Park immer noch sehr am Herzen. Solch ein Projekt macht man sicher nur einmal in der Karriere“, beschreibt Markus Fierz, Mitgesellschafter von raderschallpartner Landschaftsarchitekten aus Meilen am Zürichsee und Projektbegleiter seit vielen Jahren, sein Verhältnis zum Park. Die haushohe, komplett begrünte Stahlkonstruktion im Norden Zürichs zeigt eine besondere Mischung aus Gebäude und Grünanlage, die durch ihre Poesie berührt.
Auf dem 100 m langen und 35 m breiten Grundriss der ehemaligen Maschinenfabrik Oerlikon (MFO) wandeln Besucher durch eine leicht surreale Halle aus Blättern, Zweigen und Blüten. Treppen und Podeste führen hinter der „Fassade“ durch grüne Gewölbe 17 m nach oben, auf gleiche Höhe mit den umliegenden Industriegebäuden und Lagerhallen.
Bereit fürs Risiko
Schon der Wettbewerbsbeitrag der Planergemeinschaft MFO-Park aus Burkhart + Partner Architekten mit damals Raderschall Landschaftsarchitekten begeisterte die Jury 1998 so sehr, dass sie bereit war trotz hoher baulicher Anforderungen, die Risiken einer solch großmaßstäblichen Begrünung einzugehen. Präzedenzobjekte gab es bis dato keine.
Seltenes Langzeitprojekt
Ein Glück, nicht nur für die Stadt Zürich, sondern auch für die mit dem Klimawandel boomende Gebäudebegrünung im urbanen Raum. Der MFO-Park mit seinen anfangs 135 Schling- und Kletterpflanzenarten bietet nach 20 Jahren Reallabor einen reichen Schatz an Daten und Erfahrungen. Welche der 50 Clematis-Arten und Sorten haben sich im Langzeittest bewährt? Wie viel Pflege braucht ein solches Projekt im urbanen Umfeld? Und wie wird der gewünschte Effekt über die Jahre erhalten? Während andere Leuchtturmprojekte sich stolz mit Bildern von den ersten, üppigen Standjahren präsentieren, überlegen die Schweizer Planer schon, wie es weiter geht. Ein mit den Jahren schadhaft gewordenes Bauteil kann ersetzt werden, eine altersschwache Pflanze ist nicht 1:1 austauschbar. „Im Bereich der troggebundenen Pflanzen nimmt der Zuwachs stetig ab, hier braucht es Lösungen", erklärt der Projektleiter.
Fokus auf obere Stockwerke
Der besondere Fokus liegt denn auch auf der Trogbepflanzung in den oberen Stockwerken. Die mit mineralischem Substrat gefüllten Gefäße sind inzwischen komplett durchwurzelt. Im Gegensatz zu den üppig wachsenden Erdgeschoßpflanzen fallen die auf den Rängen wachsenden Pflanzen durch Vitalitätsverluste und teilweiser Vergreisung auf, trotz regelmäßiger Düngergaben und Pflege. „Eine Idee wäre, mit Kompost oder Terra Preta, also Schwarzerde, natürliche Prozesse in einer künstlichen Umgebung zu etablieren und dadurch die Bodenaktivität zu verbessern.“ Die Überlegungen, wie sich der Park über die nächsten 30 Jahre weiterentwickeln soll, kommen gerade ins Rollen. Das Ergebnis wird mit Sicherheit zu neuen Kriterien in der Nachhaltigkeitsbeurteilung von Gebäudebegrünung führen.
Troggebunden versus Bodengebunden
Besonders gut lassen sich am MFO-Park die Unterschiede zwischen trog- und bodengebundener Pflanzung beobachten. „Im Trog ist alles limitiert", fasst es Fierz zusammen. Die Wurzeln stoßen an Grenzen und bei einigen Gefäßen machen sich Wölbungen bemerkbar. Nährstoffe und Wasser müssen regelmäßig zugeführt werden. Ist es im Sommer lange heiß und trocken, hängt das Überleben der Pflanzen von einer funktionierenden Wasserversorgung ab. Das Hauptaugenmerk des wöchentlichen Kontrollgangs liegt daher auf der Überwachung des Bewässerungssystems, weniger auf der Pflanzenpflege. Anders bei den bodengebundenen Verwandten, deren Wurzeln weitreichend miteinander vernetzt sind und bis zu den wasserführenden Schichten reichen: Diese profitieren dabei vom ursprünglich vorgesehenen Schwammstadtprinzip des Parks. Hier sieht der Landschaftsarchitekt und Gärtnermeister denn auch ein riesiges Potenzial für den urbanen Raum: Bäume sind wegen ihrer umfassenden Ökosystemleistung und Langlebigkeit immer die erste Wahl, bei reduziertem Wurzelraum seien bodengebundene Kletterpflanzen aber eine wirkungsvolle Alternative. In beengten Straßenquerschnitten auch mal die bessere Lösung, wenn dichte Baumkronen zwischen den Hausfassaden die erfrischende Luftzirkulation eher behindern.
Ein Haus mit einem Dach und Wänden aus Pflanzen ist jedoch kein Baustein, der beliebig in allen Städten eingesetzt werden sollte. (...)
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