Weshalb es sich lohnt, dem Garten mehr Aufmerksamkeit zu schenken.
Wenn man sich moderne Siedlungen ansieht, scheint die Angst vor Unordnung das beherrschende Gestaltungsmotiv. Doch mit der Reduktion auf perfekte Sterilität, werden wir nicht nur selber zu Mitverursachern des Artensterbens, sondern vergeben die größten Chancen unseres Besitztums. Hier sind ein paar Anregungen für einen neuen Blick auf das private Grün.
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Kirschlorbeerhecken, Stabmattenzäune, Steinwüsten, L-Steine und roboter-gepflegter Rasen: Für viele der rund 17 Mio. Gärten alleine in Deutschland hat der Begriff „Gartenkultur“ nichts mehr mit dem zu tun, was auf der Fläche passiert. Eine erschreckende Sterilität hat sich in den Randgebieten von Städten und Dörfern breitgemacht. Und das in einer Zeit, in der Nachhaltigkeit und Artensterben zu den wichtigsten Themen gehören.
Dabei sind Unwissenheit, Zeitnot und die Angst vor dem, was die Nachbarn denken, die wichtigsten Motive der modernen Vernachlässigung. Pflanzen wachsen und, weil die Beziehung zu natürlichen Abläufen zunehmend verlorengeht, versuchen Gartenbesitzerinnen und -besitzer auf Nummer sicher zu gehen: Statt Pflanzen werden möglichst beherrschbare Gestaltungselemente verwendet, um das Risiko von Unordnung zu reduzieren. So entstanden die vermeintlich pflegeleichten Steinschüttungen und so erklärt sich auch die ungehemmte Ausbreitung der Rasenroboter. Mit Garten hat das alles schon lange nichts mehr zu tun. Diese Entwicklung ist nicht nur alles andere als nachhaltig, sondern sie ist auch eine riesige vergebene Chance für die Eigentümer selber.
Hier sind die wichtigsten Argumente für einen neuen Blick auf die Fläche vor der Haustür.
Mut zur Unordnung!
Wer aus Angst vor dem, was die Nachbarn denken, den Garten wie ein Badezimmer behandelt, hat ein ernsthaftes Problem mit dem eigenen Selbstbewusstsein. Weshalb sollte man sich zum Sklaven der anderen machen, wenn das Grundstück doch das eigene Glück unterstützen soll? Schluss damit, das überkommene Ordnungs- und Sauberkeitsvorstellungen der anderen unser Tun bestimmen. Mehr Lebendigkeit, ist mehr Entspannung, ist mehr Erleben, ist mehr Lebensqualität!
Gartenarbeit ist Meditation.
Trennen wir uns von der zwanghaften Vorstellung, dass jedes Kraut und jeder Halm beseitigt, die nackte Erde geharkt werden muss. Wenn wir jäten und gestalten, dann nur um zu genießen und das Leben zu entschleunigen. Kräuter in den Fugen zeigen nicht mangelnde Bereitschaft, sich zu integrieren, sondern die Größe, sich von falschen Normen zu distanzieren.
Aus Gartenpflege wird Gartenentwicklung.
Gartenpflege war gestern. Der Begriff klingt nicht nur zwanghaft und mühsam – er suggeriert auch, dass uns irgendjemand zwingt, einen bestimmten Zustand aufrecht zu erhalten. Dazu zwingt uns keiner. Machen wir uns frei. Gartenentwicklung heißt, durch lusthaftes Arbeiten den Garten ständig schöner werden zu lassen – in erster Linie durch das Wachstum der Pflanzen.
Ein lebendiger Garten ist purer Genuss.
Ein Grill auf Betonplatten – mit Gartengenuss hat das wenig zu tun. Je mehr Pflanzen es gibt, je mehr Farben, Düfte, Tiere, Eindrücke haben wir direkt vor der eigenen Haustür. Lebendig gestaltete Gärten entschleunigen, sterile Außenanlagen stressen. Das liegt schon daran, dass Steinflächen Hitze und Licht abstrahlen und ohne Pflanzen Beschattung und die Luftfeuchtigkeit fehlen.
Ohne Pflanzen ist alles nichts.
Aus fehlendem Wissen haben immer mehr Eltern mehr Angst vor Pflanzen, also vor dem, was sie Kindern mit sterilen Gärten antun. Fehlende Sozialisation am Beispiel natürlicher Abläufe lässt sich später kaum noch aufholen. Und Putzmittel sind weit gefährlicher, als die meisten Pflanzen! Nicht die Sauberkeit stand am Anfang des Lebens, sondern die Erde, der Boden.
Eine Chance zur Selbstversorgung.
Auch der kleinste Garten ermöglicht es, einen Teil der Ernährung in Bioqualität selbst anzubauen. Ganz gleich ob es Obst, Gemüse, Pilze oder Kräuter sind – die Fläche ist viel zu schade, um sie zum Fußballplatz zu degradieren – für den die meisten Grundstücke ohnehin zu klein sind. Und wenn der Nutzgarten nur ist, um den Kindern zu erklären, woher unsere Lebensmittel kommen.
Zeig mir Deinen Garten und ich sage Dir, wer Du bist.
Auch wenn die Lemmingbewegung der Steinschüttungen die Vorortgrundstücke uniformiert hat – es reicht immer noch für Rückschlüsse auf Selbstbewusstsein und Charakter. Machen wir unsere Gärten wieder einladend. Setzen wir ein Zeichen für Lebendigkeit, für Weltoffenheit, für Gemeinsamkeit, statt für Abgrenzung. Sterile Gärten laden aus. Lebendige Gärten laden ein.
Ein Stück Verantwortung in unserer Hand.
Täglich wird mehr Fläche versiegelt. Da werden die Gärten immer wichtiger. Hier regiert unsere Verantwortung dafür, dass nicht auch unser Garten mit seinen überdimensionierten Garagenauffahrten und seinem sterilen Rasen zum Artensterben beiträgt.
> Hier geht's zur Checkliste "Gärten nachhaltig gestalten".
> Hier geht's zur Argumentationshilfe gegen Kies- und Schotterschüttungen ("Schottergärten"/"Gärten des Grauens")
> Beitrag aus der F.A.Z. (28.01.2023): "Der saubere Garten ist eine Illusion".