Ein bewegendes Band für alle
Offen und barrierefrei: Wie ein Fluss mäandriert das Spielband „Berlin bewegt sich!“ durch den Baumbestand im Berliner Schäferseepark. Auf einzelnen Inseln der Fläche ordnen sich die verschiedenen Bewegungsangebote an.
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Niederschwelliges Bewegungsangebot
„Unser Ziel war ein sehr niederschwelliges Bewegungsangebot, das erst mal neugierig macht und auf dem man sich schon beim Erkunden bewegt, ohne es direkt zu merken“, fasst Lioba Lissner den Grundgedanken des Projekt zusammen. Sie ist Mitinhaberin von hochC Landschaftsarchitekten in Berlin und Projektleiterin des Realisierungsprojekts: „Das war an sich schon eine sehr spannende Aufgabe, etwas Spielerisches für Menschen wirklich aller Altersklassen zu planen.“ Das Ergebnis ist ein farbenfrohes Spielband, das sich durch ein baumbestandenes Areal im Schäferseepark im Berliner Stadtteil Reinickendorf schlängelt.
Idee des bewegten Spielbandes
Unterschiedlich große Hügel verwandeln den Weg aus rötlichem Fallschutzmaterial in eine bewegte Landschaft mit bunten Kugeln und ungewöhnlichen Spielgeräten. Steht man an einem Ende der neuen Wegeverbindung zwischen den beiden Eingängen, lockt die Perspektive, der Spur zu folgen. Ein türkisblaues Stahlrohr windet sich auf und ab, verschwindet im Belag, taucht wieder aus ihm empor und verliert sich zwischen den Bäumen. Schon beim Laufen über den EPDM-Belag werden die Fußgelenke trainiert: „Das Material federt bei jedem Schritt und ist in unterschiedlichen Stärken eingebaut. Im Bereich der Fallschutzbereiche gibt es stärker nach und gerade an den Hügeln werden die Sprunggelenke in wechselnden Winkeln angesprochen.“ Weil alle Wege mindestens eine Breite von 1,50 m aufweisen, ist das Spielband durchgängig auch mit dem Rollstuhl, Kinderwagen oder Rollator begehbar. Inklusion und Barrierefreiheit war eine der Vorgaben der Auftraggeber.
Initiative "Berlin bewegt sich"
Der Parcours gleich neben dem Schäfersee gehört zu einer Initiative der Senatsverwaltung für Wissenschaft, Gesundheit und Pflege. Unter dem Motto „Berlin bewegt sich“ möchte die Stadt ihre Bewohnerinnen und Bewohner zu mehr Bewegung an der frischen Luft anregen. Neben kostenlosen Trainingsmöglichkeiten für verschiedene Sport- und Gymnastikarten in Berliner Parks und Grünflächen, entstanden im letzten Jahr fünf neue Spielplätze im Stadtgebiet. Die Kosten für Planung, Baumaßnahme und auch den späteren Unterhalt übernimmt die Senatsverwaltung – ein Gratisangebot, welches die klammen Bezirksämter gerne annehmen. Die Bauherrenaufgabe übernahm Grün Berlin in Abstimmung mit den jeweiligen Bezirksämtern.
Herausforderung Sportplanung im öffentlichen Raum
Für eine Stärkung der Chancengleichheit sind die Angebote niederschwellig, um auch diejenigen Bevölkerungsgruppen anzusprechen, die sonst nur schwer Zugang zu gesundheitsfördernden Maßnahmen haben. „Viele Sportparcours sind ja auf diejenigen ausgerichtet, die ohnehin schon sportlich sind. Und schließen dadurch von vornherein Menschen aus, die weniger geübt sind und sich dann nicht gerne die Blöße geben, an einem Geräte womöglich keine so gute Figur zu machen“, erklärt die Landschaftsarchitektin die sozialen Schwierigkeiten mit Sportgeräten im öffentlichen Raum.
Auf dem 75 m langen Band befinden sich daher Spielangebote, die ganz unterschiedlich genutzt werden können und auf den ersten Blick eher skulptural wirken. Die verschiedenen Elemente sind zu vier größeren Inseln mit einzelnen Spielthemen zusammengefasst. Die gruppierte Anordnung dient dem Schutz der Wurzelräume im Baumbestand, zwischen den die Gestaltung geplant werden musste. Eine Gruppe blauer EPDM-Kugeln erinnern an Planeten, beim Bespielen beginnt eine zu schwingen, die nächste dreht sich, eine dritte bewegt sich in alle Richtungen. Eine Kugel verweigert sich und bleibt einfach starr.
Neben dem Überraschungseffekt entstehen so unterschiedlichste Anreize: ein Kleinkind nutzt die Unbewegliche als Steh- und Laufhilfe, eine Rollifahrerin dreht mit den Händen eine Kugel im Kreis und bringt so die Arme in Bewegung und der geübte Kletterer balanciert auf der in alle Richtungen flexiblen Variante. Ein breiter, an Ketten schwingender Ring kann zum Reinkriechen, Durchklettern oder Balancieren benutzt werden und die im Boden eingelassenen Trampoline laden zum Hüpfen ein. Aus Platz- und Kostengründen sind die Trampoline nicht rollstuhlbefahrbar, die mit seitlichen Anfahrrampen doch deutlich größer geworden wären. Mit etwas Hilfe beim Ein- und Ausfahren können Mobilitätsbehinderte aber durchaus auf den Trampolinen mitschwingen.
Barrierefrei und inklusiv
Per im Boden eingelassenem Sprachrohr, das in Rollstuhlhöhe angebracht ist, kann man ein Gespräch von Insel zu Insel führen – oder einfach belauschen, was am anderen Ende los ist. Großer Beliebtheit erfreut sich auch die Pfeifenwippe, die mit den Füßen bedient wird. Weniger beliebt waren die Pfeifenkonzerte bei den Anwohner, nachträglich eingebaute Schalldämpfer haben den Konflikt aber gut gelöst.
Die am Wegrand platzierte „Gesundheitsbank“ sieht aus wie eine typisch Berliner Parkbank – sie steht aber auf Stahlfedern, das trainiert beim Sitzen zugleich die Körperspannung. „Das ist eines der sehr beliebten Elemente, auf dem die zuschauenden Eltern und Großeltern gerne sitzen“, sagt Lissner und man hört ihr den Spaß an den vielen Gimmicks beim Erzählen an.
Auch das türkisfarbene Stahlrohr ist mehr als eine optische Verbindung: Seine Auf- und Abbewegung ermöglicht für alle Größen eine passende Höhe zum Klimmen, drunter Durchfahren oder Kreiseln. Integrierte Steighilfen und Kugeln helfen den ganz Mutigen beim Erklettern der gewundenen Stange.
Farbkontraste für seheingeschränkte Menschen
Zur Orientierung speziell für seheingeschränkte Menschen, wählten die Planer mit dem Türkisblau von Stange und Spielelementen und dem Rotton des Belags Farben aus, die einen hohen Leuchtdichtekontrast aufweisen. Auch das vorgegebene Layout der Beschilderung mit Hinweisen zu den Spielgeräten ist so konzipiert, dass alles barrierefrei und gut zu lesen und zu erkennen ist.
Anforderungen der DIN 18034
„Wir haben sämtliche Nutzungs- und Bewegungsmöglichkeiten nach den Anforderungen der DIN 18034 berücksichtigt. Dazu gehören: Laufen, Stehen, Klettern, Springen, Rollen, Balancieren, Schwingen, Sitzen, Hängen, Rutschen, Krabbeln, Bücken und Drehen“, zählt Lissner auf. Ein im wahrsten Sinne des Wortes spielerischer Entwurf, der trotz ihrer Erfahrung mit vielen anderen Spielplatzprojekten besondere Kreativität erforderte.
Auszug aus FREIRAUM GESTALTEN 2/24. Den gesamten Beitrag samt ergänzender Freiraumwerkstatt lesen Sie im Magazin.
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