Was braucht der "Spielplatz 2.0"?
Andreas Bast, Sachverständiger und Geschäftsführer der X-Move GmbH berichtet, welche Anforderungen und Standards für die Sicherheit beim Parkoursport aktuell gefordert sind und wie sich diese junge Sportart bis heute verändert hat.
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Susanne Wannags: Woran orientierte man sich beim Bau von Parkouranlagen, bevor vor etwa sechs Jahren die „DIN EN 16899 Sport- und Freizeitanlagen – Parkoureinrichtungen – Sicherheitstechnische Anforderungen und Prüfverfahren“ verabschiedet wurde?
Andreas Bast: Als europaweite, vielleicht sogar weltweite Vorreiter im Bereich Parkouranlagenbau, waren wir von X-Move auch die ersten, die sich gemeinsam mit dem Fachplanungsbüro Proelan aus Bochum und dem TÜV Gedanken über ein spezifisches Sicherheitsdokument gemacht hatten. Diese Dokumentation floss über unseren damaligen britischen Vertrieb in die British Standards und schlussendlich in den Europäischen Normungsausschuss ein. In diesem CEN-Ausschuss sowie im nationalen DIN-Ausschuss habe ich die Ausarbeitung der DIN EN16899 maßgeblich mitgestaltet.
Wie verhält es sich mit dem Fallschutz? Manche Elemente sind höher als die kritische Fallhöhe und benötigen daher Fallschutzbelag. Könnte man theoretisch beim Parkour auch von einem Element auf ein anderes fallen? Wie verhindert man das?
Parkour bedeutet eine fließende Bewegung von A nach B. Aus diesem Grund ist der Boden an diesen Stellen also nicht nur Fallschutz, sondern auch eine Sportfläche, auf der man läuft, springt oder rennt. In der Regel wird daher ein EPDM–Belag eingebaut, ähnlich wie bei einer Laufbahn. Sand und Kies sind meistens ungeeignet, andere lose Schüttgüter zu wartungsintensiv durch den „Wegspieleffekt“ in den Lande- und Laufzonen. Fallhöhen und Abstände um die Elemente und der Elemente zueinander sind ein wichtiger Bestandteil der Norm.
So soll etwa vermieden werden, dass Elemente mit großen Höhendifferenzen zu nah aneinander stehen. Außerdem sollen kleine Kinder gewisse Höhen gar nicht erreichen können, indem wiederum bewusst Höhenunterschiede eingebaut werden, die als Zugangsfilter dienen.
Üblich sind Elemente aus Beton oder Metall. Kann es auch gemauerte Strukturen auf einer Parkouranlage geben?
Gemauerte Strukturen müssen so gesichert sein, dass sich keine Steine lösen können, beispielsweise durch Ringanker. Und sie müssen so im Boden verankert sein, dass sie die in der Norm angegebenen Horizontalkräfte aufnehmen können.
Fertigteile oder vor Ort angefertigte Betonelemente – was ist bei Parkour üblich? Und wie prüft man, ob sie den DIN-Vorgaben entsprechen?
Im Prinzip wird beides praktiziert. Tendenziell bauen spezialisierte Fachfirmen eher vorgefertigte Elemente im Werk und montieren auf der Baustelle, statt bundesweit oder europaweit alles vor Ort zu bauen. Es ist von Vorteil, wenn nicht nur die Fachplanung, sondern auch die Herstellung und Montage von einer spezialisierten Fachfirma erstellt wird. Fachfirmen haben in der Regel gerechnete Statiken und im besten Fall auch eine ordentliche und lückenlose Fertigungsüberwachung. Die Fertigung vor Ort bedeutet sehr viel Arbeit und Verantwortung für die Planer und Fachplaner, aber auch für die Bauherren. Am Ende muss jemand die Verantwortung für die Einhaltung der Norm, der Qualität und der Standsicherheit sowie der sportlichen Nutzbarkeit übernehmen.
Auch die stabilsten Geräte halten nur so gut wie das Fundament. Worauf kommt es da an?
Das ist eine gute Frage, die es unbedingt bei der Konzeption einer Anlage zu beachten gilt. Es gibt die Lastannahmen in der DIN-Norm, die in entsprechende statische Berechnungen für jede Anlage einzukalkulieren sind. Manchmal wird einfach drauflos gebaut, mit dem üblichen Wissen aus dem Hochbau. Bei der Sportart Parkour können aber andere dynamische Kräfte wirken als im Spielplatz- oder Hochbau. Insbesondere beim Bau der Stahlrohrkonstruktionen bin ich mir sicher, dass nicht alle bereits gebauten Anlagen den Vorgaben der Norm diesbezüglich folgen. Die Folge ist, dass Rohre sich lösen, knicken oder die Fundamentierungen kippeln können.
Wer prüft die Parkouranlagen?
In der DIN EN 16899 „Parkoureinrichtungen“ steht ganz klar, dass nur sachkundige Personen für die Risikobewertung hinzugezogen werden sollen. Spielplatzprüfer kennen manche Punkte aus der Norm wie Finger- oder Kopffangstellen, sind jedoch keineswegs durch ihre Ausbildung zum Spielplatzprüfer sachkundig im Sport Parkour und der DIN EN 16899. Leider gibt es noch keine Vorgaben, wie der Erwerb der Sachkunde genau auszusehen hat. Ich würde unbedingt dazu raten, sich hierzu ordentlich schulen zu lassen. Es gibt einige Experten, die sich darauf spezialisiert haben und die wir als sehr kompetent für die DIN EN 16899 empfinden (siehe Infobox).
Viele klassische Spielplätze haben eine Altersbegrenzung. Wie ist das bei Parkouranlagen? Sind sie für bestimmte Altersgruppen konzipiert?
Eine gut konzipierte Parkouranlage ist sowohl für die bestimmungsgemäße Sportlergruppe als auch für die vorhersehbare Nutzergruppe der Kinder attraktiv. Das Interessante an Parkour ist, dass es sich dabei um grundlegende Bewegungsformen des Menschen handelt, die Kinder ohnehin stark „triggert“. Von A nach B springen, balancieren, klettern, Höhe austesten – all das machen Kinder und Heranwachsende instinktiv, um ihren Bewegungsapparat zu schulen. Das braucht im Prinzip keine Erklärung. Insofern sind Parkouranlagen eigentlich Spielplätze 2.0. Als Erwachsener in einer modernen Welt verliert man sich diese Instinkte irgendwann oder sieht sie als kindisch an. Dabei würde allen ein dauerndes Herantasten an die eigenen körperlichen Grenzen für Kraft, Ausdauer und Balance sehr guttun. Kinder schaffen manchmal mehr oder genauso viel Übungen wie Erwachsene. Es gibt daher keinen Grund für unterschiedliche Anlagen. Eine Ausnahme sind Kinder unter acht Jahren. Da müsste man an eine Anlage mit anderen Maßstäben herangehen. Die Norm ist für Nutzer ab acht Jahren konzipiert – dennoch muss die Anlage auch für jüngere sicher sein.
Sicherheitstechnischer Prüfer (eine Auswahl)
- TÜV Süd MünchenRoland Zwickl: www.tuvsud.com/de
- Friedrich BlumeSachverständigenbüro für Spielplätze: www.blume-spielplatz.de
- TÜV Thüringen Service-Center MittelthüringenSascha Alkewitz: www.tuev-thueringen.de
- TÜV Rheinland AGPeter Löw: www.tuv.com/germany/de
Der Beitrag erschien im Magazin FREIRAUM GESTALTEN 4/2023
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