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Interview

Die Bürgerbewegung

Um Menschen für die Outdoor-Fitness zu begeistern, genügt es nicht, irgendwo im Freien ein paar Geräte aufzustellen. Wir haben mit dem Sportwissenschaftler und ehemaligem Leistungssportler Marcus Becker darüber gesprochen, worauf Kommunen achten sollten, wenn sie ihre Bürger in Bewegung bringen wollen. 

 

 

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Marcus Becker ist Sportwissenschaftler und ehemaliger Leistungssportler. © Simone Maiwald
Zur Person - Marcus Becker: 

Über zehn Medaillen im Kanuslalom, darunter eine olympische Silbermedaille, zwei WM- und eine EM-Goldmedaille, konnte sich Marcus Becker als aktiver Leistungssportler freuen. 2012 zog sich der damals 31-Jährige aus dem Leistungssport zurück. Der Sportwissenschaftler ist selbständiger Trainer und gründete die Firma begreen in Owen, die Outdoor-Fitnessgeräte, Spielgeräte und Stadtmobiliar vertreibt.

Das lange Experteninterview: 

„Outdoor-Fitnessgeräte sind ein Zusatzangebot für Menschen, die sich gerne draußen aufhalten“, sagt Marcus Becker. Der Sportwissenschaftler ist ehemaliger Leistungssportler im Kanuslalom und Gründer des Outdoor-Geräte-Herstellers begreen. Um Menschen für die Outdoor-Fitness zu begeistern, genügt es allerdings nicht, irgendwo in der Stadt oder im Park ein paar Geräte aufzustellen. 

Outdoor-Gerätesport ist noch eine relativ junge Sportart. Gibt es Zahlen, wie viele Menschen solche Angebote nutzen?
Marcus Becker: Bekannt ist lediglich, dass es 11 Mio. Mitglieder in deutschen Fitness-Studios gibt. Die Outdoor-Geräte sollen das ja nicht ersetzen, sondern sind ein Zusatzangebot. Übrigens eines, das ich sehr gut finde, denn die Deutschen werden immer fauler und bequemer. Als ehemaliger Leistungssportler ist Sport meine Passion. Ich wünsche mir daher mehr Angebote, bei denen möglichst viele Menschen mit Spaß und Freude Sport treiben können. 

Genügt es, Outdoor-Geräte im Park oder der Stadt aufzustellen, um die Menschen für mehr Bewegung zu begeistern? 
Es geht bei Outdoor-Fitness-Parks erst mal darum, festzulegen, wer die Geräte überhaupt nutzen soll. Wer ist meine Zielgruppe? Wie groß die Anlage sein wird, wie viel Platz man benötigt, wie es letztlich gestaltet werden soll, steht erst an zweiter Stelle. Will ich vor allem jüngere Menschen ansprechen? Dann könnte eine Calisthenics-Anlage das Richtige sein. Ich muss mir als Betreiber aber im Klaren sein, dass damit 80 % der Bevölkerung raus sind, weil sie keine Klimmzüge schaffen oder sich nicht an Stangen entlanghangeln können und wollen. Möchte ich als Kommune einen Mehrgenerationen-Park errichten, in dem Jung und Alt etwas gemeinsam tun können, muss das Angebot ein anderes sein als eine Ansammlung von Stangen.

Outdoor-Fitnessgeräte, Calisthenics-Anlagen, Multigym-Stationen – das alles sind Angebote für den Freiraum. Wo liegen die Unterschiede und was eignet sich für wen?
Bei Calesthenics- und Multigym-Stationen handelt es sich um Fitnessgeräte für freie Übungen. Dort nutze ich meinen Körper als Hebel und trainiere mit dem eigenen Körpergewicht. Geräte wie Brustpresse und Latzug ermöglichen ein geführtes Training und eignen sich damit auch für Ungeübte. Alle Angebote lassen sich natürlich auch kombinieren.

Was steht für Sie als Sportwissenschaftler beim Thema Outdoor-Fitness im öffentlichen Freiraum im Fokus?
Ich finde, jeder, der Lust hat, sich zu bewegen, sollte in solchen Anlagen die Möglichkeit dazu haben – vom Kind bis zum Senior, vom Nichtbehinderten bis zum Behinderten. Auf einem Mehrgenerationenplatz hat jeder die Gelegenheit, sich selbst etwas Gutes zu tun. Das anzubieten, sollte das Ziel einer Kommune sein. 

Welche Geräte sind für ein sinnvolles Outdoor-Fitness-Training unverzichtbar?
In einem Outdoor-Fitness-Court sollten zumindest die wichtigsten, also großen Muskelgruppen abgedeckt sein. Das heißt, es sollten auf jeden Fall Geräte vorhanden sein, an denen Brust-, Bein-, Rücken- und Armmuskeln trainiert werden können. Das ist mit etwa fünf bis sechs Geräten wie Latzug, Beinpresse, Brustpresse, Rücken- und Bauchtrainer sowie eventuell einem Ruderzug gut möglich. Zeitlich sollte der Court bei drei Sätzen pro Gerät in rund einer halben Stunde zu schaffen sein. 

Wieviel Platz benötige ich dann für diese Basisausstattung an Geräten?
Der Platzbedarf eines Outdoor-Fitness-Courts ist individuell natürlich ganz unterschiedlich. Aber mit 30 bis 50 m² können Sie schon starten. Wir haben allerdings damit aufgehört, zwei oder drei Geräte irgendwo zu platzieren. So ein Angebot nutzt erfahrungsgemäß niemand und dann heißt es schnell, dass Outdoor-Fitness bei der Bevölkerung nicht gefragt sei. Besser ist es, sich mit den Verantwortlichen in der Kommune darüber zu unterhalten, was für ein bestimmtes Budget sinnvoll machbar ist.

Was ist, wenn tatsächlich nur ein geringes Budget vorhanden ist? Sind dann zwei Geräte für den Anfang nicht besser als keins? 
Nein. Um ein kleines Budget aufzustocken, gibt es oft kreative Möglichkeiten. Viele Städte haben Partner in der Wirtschaft, die man mit einbinden kann. An einem unserer Projekte hat sich beispielsweise die Raiffeisenbank beteiligt, dafür wurden die Geräte in den Farben graublau gestrichen. Je nach Platzgestaltung ist vielleicht auch Bandenwerbung von Sponsoren möglich. Was vielleicht vielen auch nicht klar ist: Schon mit 20.000 € Gerätekosten ist in Sachen Outdoor-Park viel möglich. 

Was raten Sie einer Stadt oder Gemeinde, die mit einem Outdoor-Fitness-Angebot anfangen möchte? 
Es fängt alles damit an, die Zielgruppe festzulegen. In die Planung einer Anlage sollte unbedingt jemand eingebunden werden, der von Sport tatsächlich eine Ahnung hat und sich nicht vom tollen Aussehen vieler Geräte und Anlagen blenden lässt. Die Euros, die man in einen Sportwissenschaftler investiert, sind bei so einem Projekt gut angelegt, denn er kann die gesundheitlichen Aspekte beurteilen. Landschaftsarchitekten wiederum sind hervorragend darin, diese Geräte dann gut in die Landschaft einzubinden. 

Welche Orte eignen sich Ihrer Erfahrung nach am besten für Fitness-Courts? 
Ich präferiere Platzlösungen an möglichst zentralen Orten, die aber in sich geschlossen sind und mit Banden oder Hecken ein wenig Privatsphäre bieten. Die wenigsten Menschen mögen es, wenn sie sich beim Training wie auf dem Präsentierteller fühlen. Wir haben für eine Gemeinde allerdings auch schon mal einen Rundwanderweg angelegt. Anfänglich waren wir davon gar nicht begeistert, doch dann haben wir das als interessante Herausforderung gesehen. Jetzt gibt es auf 5 km insgesamt zwölf Stationen mit jeweils zwei Geräten. Damit kann man dort gut zu zweit oder zu viert laufen und trainieren. 

Wenn die richtigen Geräte am richtigen Ort sind – was können Kommunen noch tun, um die Bürger zu überzeugen?
Gerade am Anfang kann es hilfreich sein, sich ein paar Leute aus örtlichen Vereinen zu suchen, die nach einer ausführlichen Einweisung dort trainieren und als Ansprechpartner zur Verfügung stehen. 

Wie stellt man sicher, dass die Übungen richtig durchgeführt werden?
Die Geräte sind im Großen und Ganzen selbsterklärend. Es gibt mehrere Möglichkeiten, den Nutzern die Handhabung zu erklären – vom Schild am Gerät bis zum QR-Code, unter dem ein Video abgespielt wird. Bei den geführten Fitnessgeräten kann man zudem wenig falsch machen. 

Wie individuell lassen sich Outdoor-Fitnessgeräte einstellen?
Jedes bewegliche Teil bedeutet ein potenzielles Verschleißteil, daher sind sie auf das Notwendigste reduziert. Da lässt sich nicht so viel individualisieren wie im Studio, auch das Gewicht nicht. Einige Geräte sind so konstruiert, dass man zusätzlich sein eigenes Körpergewicht hebt, zum Beispiel beim Latzug. Das sollte man mindestens 20 Mal schaffen, bei drei Wiederholungen. Das ist anspruchsvoll, aber nicht überlastend. Ziel der Outdoor-Fitness-Courts ist kein extremer Muskelaufbau, sondern mehr Beweglichkeit im Alltag. Alle Outdoor-Geräte kommen mal an ihre Grenzen, wenn man individuelle Einstellungen möchte; aber für Menschen zwischen 1,40 und 1,80 m bis zu einem Gewicht von etwa 120 kg sind sie gut handhabbar. 

Outdoor-Geräte müssen Wind und Wetter überstehen. Auch die beweglichen Teile müssen funktionsfähig bleiben. Wie ist es um die Qualität der Geräte bestellt? 
Sie sind in der Regel wartungsfrei. Lager sind verschlossen, das Material feuerverzinkt oder pulverbeschichtet, alternativ gibt es auch Geräte aus Edelstahl, die allerdings preislich deutlich höher liegen. Und wie bereits erwähnt, sind bewegliche Teile auf ein Minimum reduziert. In den Kommunen werden die Outdoor-Parks üblicherweise von den Spielplatzkontrolleuren mitbetreut. Sie schauen dann auch, ob die Schrauben noch richtig angezogen sind und sich alles noch so bewegt, wie es soll. 

Wir danken für das Interview!

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