Geben Sie einen Suchbegriff ein
oder nutzen Sie einen Webcode aus dem Magazin.

Geben Sie einen Begriff oder Webcode ein und klicken Sie auf Suchen.
Kommentar

Doppel-Wumms für Flächenverschwendung

Man stelle sich vor, ein langsames Auto zu nehmen, einen getunten Motos einzusetzen, um dann schneller ans Ziel zu kommen. Kann das funktionieren? Eher nicht.

von Tjards Wendebourg erschienen am 09.10.2024
Artikel teilen:

Denn das System Auto wird von dem neuen Antrieb, auf den es nicht ausgelegt ist, überfordert. Die Panne kurz nach dem Start ist höchst wahrscheinlich.

Aber was tut eine Regierung aus drei vollkommen unterschiedlichen Partnern, die zudem massiv unter Druck steht? Logo, sie setzt auf Symbolpolitik und Schlagworte. Nichts anderes ist der „Bau-Turbo“, den die Regierung trotz der Kritik vieler Fachleute in das novellierte Baugesetzbuch geschmuggelt hat. Weil es zu kompliziert wäre, das Geflecht, in das wir uns rund um das Bauen verheddert haben, zu entwirren, versucht es die Politik mit der Brechstange. „Bezahlbar, beschleunigt, bedarfsgerecht“, sei die Novelle lobt sich das Bauministerium selbst. Dabei darf selbst an diesen drei Attribute gezweifelt werden.

Es hat seine Gründe, weshalb Bauen Zeit braucht. Bebaute Fläche ist für lange Zeit festgelegt. Einen Rückweg gibt es kaum. Steht ein Gebäude erstmal, bleibt es mindestens für Jahrzehnte, manchmal für Jahrhunderte an seinem Platz. Da ist es ziemlich sinnvoll, der Errichtung eines vernünftigen Abwägungsprozess voranzustellen. Wie es aussieht, wenn es diesen Prozess nicht gibt, lässt sich in vielen Ländern beobachten, wo manchmal über Nacht Gebäude aus der Landschaft wachsen. Mit Sicherheit ließe sich dieser Prozess verkürzen. Das hieße aber, in mühseliger Kleinarbeit ins Räderwerk der Prozesse einzugreifen und zahllose Stakeholder mitzunehmen. Da ist es leichter, sich einen Klienten mit wenig Unterstützung zu krallen. Solche Klienten sind Boden und Fläche. Schließlich bieten sie den Vorteil, dass es immer auch Nutznießer gibt, die vom Wertzuwachs profitieren und die man deshalb im Zweifelsfall als Unterstützer schnell an Bord hat.

Dabei ist die Fläche bei der Schaffung bezahlbaren Wohnraums ja nur das kleinste Problem. „Mit einem Bauüberhang von fast 900.000 Wohneinheiten besteht bereits erhebliches Potenzial für Wohnungsbau auf bestehendem Bauland“, stand in dem Kritikpapier der Verbändeallianz – darunter der bdla - zum Referentenentwurf. Denn, dass Bauland vorhanden ist, heißt ja noch nicht, dass bezahlbare Wohnungen entstehen. Die sind für Investoren nämlich in der Regel unattraktiv. Wenn dann zu knappen Margen noch erhöhte Standards, steigende Zinsen und das Fehlen von Fachkräften dazukommen, hilft das ganze Bauland nichts. Dann wird einfach nicht gebaut – jedenfalls nicht „bedarfsgerecht“.

Bevor wir also unsere Landschaft und unseren Ackerboden den Investoren zum Fraß vorwerfen, sollten wir nochmal in den Prozess einsteigen. Dazu gehört etwa, erst gemeinnützige Wohnungsbaugesellschaften und Genossenschaften zu gründen, die das Baurecht nicht unter Gewinnmaximierungsabsichten nutzen, sondern zielorientiert – mit der Maßgabe, die Wohnungsnot in einer Region zu lindern. Unter dieser Maßgabe kann man dann an die Flächenevaluation gehen. Ansonsten wäre es gut, alle Wummse – doppel oder einzeln – und Turbos aus der Politik zu verbannen. Es ist zwar gut, Regierungsarbeit verständlich zu machen. Aber es ist schlecht, sinnvolle Inhalte gegen medienwirksame Schlagworte auszutauschen.

0 Kommentare
Was denken Sie? Artikel kommentieren

Zu diesem Artikel liegen noch keine Kommentare vor.
Schreiben Sie den ersten Kommentar.

Artikel kommentieren
Was denken Sie? Artikel kommentieren