Reaktionärer Architektur Rebell – jetzt auch bei uns
Franz Gerhard, leidgeprüftes Bauausschuss- und Kreistagsmitglied, berichtet in unserer Kolumne.
von Franz Gerhard erschienen am 17.02.2025Wir schreiben das Jahr 2025 nach Christus Geburt. Während einige Despoten auf dieser Welt die Meinungsfreiheit im Extremfall immer noch mit der Todesstrafe bedrohen, erreicht die Partizipation in Deutschland neue Sphären. Dank Facebook! Ja, wer wünscht sich das nicht: Alternativen zu hässlichen Bauten! Mit diesem Slogan wirbt die Facebook-Gruppe „Architektur Rebellion“ – inzwischen mit mehr als 18.000 Mitgliedern. Anders als in der realen Welt gibt es hier keine Grautöne: „Betonklötze“ – meist als sogenanntes Vorherbild markiert – sind schwarz, „Schnörkelbauten“ – die jetzt an deren Stelle stehen – strahlend weiß. Und: Alle Städte dieser Welt haben die gleiche Chance wieder schön zu werden – sie müssen nur Bauten errichten, die wie vor 100 oder 200 Jahren aussehen. Ein Algorithmus möchte es, dass ich immer wieder diese Facebook-Gruppe eingeblendet bekomme. Vermutlich, weil ich zulange beschämt die dort gezeigten Bilder studiere.
Ein ähnlicher Schwarz-Weiß-Vergleich war kürzlich in einer örtlichen Facebook-Gruppe zu finden. Auf der einen Seite war unser neu errichtetes Nahverkehrs-Terminal zu sehen. Ein moderner, vollständig verglaster Stahlbau. Die Konstruktion und sichtbaren Seiten der Dachflächen sind in unauffälligem Grau gehalten. Und jetzt auf Facebook als Negativbeispiel gekennzeichnet. Auf der anderen Seite ebenfalls ein Glasgebäude, welches angesichts der vielen gusseisernen Retro-Deko-Elemente kaum mehr erkennbar ist. Das ganze trug die Überschrift: Warum kann bei uns nicht mehr schön gebaut werden? Es dauerte nicht lange, bis unzählige Likes den Beitrag garnierten, verbunden mit „wegen der dummen Politiker“-, „typisch Deutschland“- oder „wird Zeit, dass wieder die Richtigen an die Macht kommen!“-Kommentaren. Als ein User bemerkte, dass er den modernen Bau auch nicht schlecht finden würden, wurde er vom Verfasser zurechtgewiesen: Die vielen Likes würden doch ganz klar zeigen, was das Volk bevorzugt. Halleluja!
Zu diesem Artikel liegen noch keine Kommentare vor.
Artikel kommentierenSchreiben Sie den ersten Kommentar.