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Autofreie Innenstädte

Bad Wimpfen: Bepflanztes City-Mobiliar belebt historische Altstadt

Nicht nur Metropolen wie Berlin und Hamburg befinden sich mitten im Wandel: Bemühungen um autofreie Innenstädte mit mehr Aufenthaltsqualität finden auch jenseits der Großstädte statt. Eine besondere Ausgangssituation für die Umgestaltung öffentlichen Raums spielt sich derzeit in der komplett denkmalgeschützten Altstadt in Bad Wimpfen ab. Die malerische Kurstadt mit vielen historischen Bau- und Kunstdenkmälern ist die erste teilnehmende Stadt des großen „Ortsmitten“-Projekts der baden-württembergischen Landesregierung, bei dem mit kostenlosen Pop-up-Stadtmöbeln bis zum Ende des Jahrzehnts hunderte verkehrsberuhigte Ortskerne geschaffen werden sollen.

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Bepflanztes City-Mobiliar belebt die historische Altstadt in Bad Wimpfen
Bepflanztes City-Mobiliar belebt die historische Altstadt in Bad WimpfenYannik Wegner
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In deutschen Großstädten sind solche Verkehrsprojekte regelmäßig umstritten – wie sieht die Akzeptanz in einer Kleinstadt mit einer überwiegend älteren, traditionsverbundenen Anwohnerschaft aus? „Man muss die Bürger:innen bei der Reise mitnehmen, mit ihnen ins Gespräch kommen und die Vorteile aufzeigen“, sagt Andreas Zaffran, Bürgermeister von Bad Wimpfen. Der offene Diskurs zeigt sich erfolgreich, die zwölf teilweise bepflanzten Holz-Metall-Konstruktionen werden als neue Aufenthaltsorte sehr gut angenommen - und machen auch dem stationären Einzelhandel sowie Gastronomie Hoffnung.

Experimentierfeld Innenstadt: Autos raus, Fußgänger rein

Eine ehemalige Kaiserpfalz mit drumherum gewachsener Stadt, ganz viel Kopfsteinpflaster und verwinkelten Gässchen und Gängen: Bad Wimpfen gehört in seiner Wertigkeit zu den Top 3-Städten in Baden-Württemberg. Die gesamte Altstadt ist ein sogenanntes denkmalgeschütztes Ensemble. Wer hier bauliche Änderungen oder Erneuerungen umsetzen will, braucht einen langen Atem: „Wir müssen uns bei jedem Häuschen, das wir angehen, bei jeder Straße, die wir umstrukturieren wollen oder einem Mäuerchen, das wir neu verputzen wollen, mit dem Landesamt für Denkmalpflege abstimmen“, erzählt Bürgermeister Zaffran. So betrifft es zum Beispiel auch die Fußgängerzone und den teilweise aus dem Mittelalter stammenden Pflasterbelag, der eine Durchfahrt insbesondere für FahrradfahrerInnen erschwert. Bei einem Treffen der AGFK (Arbeitsgemeinschaft Fahrradfreundlicher Kommunen) nimmt Zaffran die spontane Einladung vom Verkehrsministerium an, mit Bad Wimpfen die erste Pilotstadt des Ortmitten-Projektes zu stellen. Das Land Baden-Württemberg hat sich zum Ziel gesetzt, bis 2030 hunderte lebendige und verkehrsberuhigte Ortsmitten, Teilorte oder Stadtteilzentren zu schaffen. So sollen bessere Bedingungen entstehen, um sich zu Fuß, mit dem Rad oder dem ÖPNV fortzubewegen sowie mehr attraktive Verweilmöglichkeiten geschaffen werden.

Neue Treffpunkte als Chance für Einzelhandel und Gastronomie

Als zentrale Maßnahme zur Umgestaltung werden den Kommunen eine Reihe an Sitz- und Liegebänken, Parklets und Fahrradstationen gestellt – kostenlos. Voraussetzung für eine Teilnahme ist, eine zuvor befahrene Straße für Autos zu sperren und fußgängerfreundlich umzugestalten. „Die Tatsache, dass die Module flexibel gestellt werden können, ohne in die bestehende Infrastruktur eingreifen zu müssen, war für mich in Anbetracht des Denkmalschutzes der ausschlaggebende Punkt“, erzählt Zaffran. Die Umsetzung erfolgte innerhalb von nur zwei Monaten, mit vorheriger Zustimmung des Gemeinderats. Andreas Zaffran sieht in der Umgestaltung auch eine Chance für Gastronomie sowie Einzelhandel und somit nicht weniger als die Zukunft seiner Stadt: „Wir BürgermeisterInnen solcher Altstädte müssen massiv etwas dafür tun, wieder mehr Läden und Leben in die Zentren zu bekommen. Von November bis Februar liegt der Tourismus hier brach. In dieser Zeit steht vor allem der Einzelhandel vor einer großen Herausforderung, wenn alle nur noch online einkaufen. Gleichzeitig wird aber beklagt, dass es keine Läden mehr in der Altstadt gibt. Das beißt sich ein bisschen. Das ist so eine gesellschaftliche Thematik, dass wir zu bequem geworden sind und gar nicht mehr ins Geschäft wollen – vielleicht, weil es auch billiger ist, weil es einfacher ist. Gleichzeitig wollen wir aber alle diese wunderschönen alten Städtchen. Die sind aber irgendwann alle ein Museum, weil da niemand mehr unterwegs ist.“

Ob es bei der temporären Nutzung der Pop-up-Möbel bleibt oder sie langfristig ihren Platz in der Bad Wimpfener Altstadt finden, entscheidet sich im Herbst 2023 im Gemeinderat, bei dem auch Meinungen, Stimmungen und Umsatzzahlen von Einzelhandel und Gastronomie evaluiert werden sollen.

Stadtmöbel als Impulslösung für autofreie Innenstädte

Die Designer und Architekten Robin Lang und Wulf Kramer stellen mit ihrem Mannheimer Unternehmen CITY DECKS in Deutschland einzigartige, bepflanzte City-Möbel her, mit denen sie karge und ungenutzte Platzlandschaften in lebendige Treffpunkte verwandeln. Sie wollen die Stadt aktiv neugestalten und sind der Meinung, dass Deutschland zu vorsichtig ist und mehr Mut zur Veränderung braucht. Wie sieht für die Gründer die perfekte Stadt aus? „Weniger ist mehr“, sagt Robin Lang. „Weniger Lärm, weniger Autos, weniger Stress bedeuten mehr Freude, sich im öffentlichen Raum aufzuhalten und vielleicht auch dann noch zu bleiben, wenn die Erledigungen gemacht sind. Oder vielleicht sogar gezielt zu kommen, um einfach nur zu entspannen - wie im eigenen Wohnzimmer.“ Die Nachhaltigkeits-Architekten haben für ihre Vision einer autofreien, menschenfreundlichen Innenstadt unter anderem Deutschlands erstes kühlendes Stadtmöbel designt. Auf einem Modul finden bis zu 40 Arten an heimischen Gräsern, Kräutern und Wildblumen Platz. Die Wiesen bleiben das ganze Jahr über grün, brauchen wenig Pflege und werden über ein autarkes Bewässerungssystem versorgt. Die Sitzkombination mit einer echten Wiese lädt zum Verweilen ein und hat durch die natürliche Oberfläche einen deutlich spürbaren, kühlenden Effekt in heißen Sommermonaten.

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